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Bellocq – die Tee-Handwerker

Marke: Bellocq Tea Atelier Markenmacher: Heidi Johannsen Stewart und Michael Shannon

Marke: Bellocq Tea Atelier

Markenmacher: Heidi Johannsen Stewart und Michael Shannon

Michael Shannon und Heidi Johannsen Stewart sind seit Jahren befreundet und teilen einen poetischen Stil zusammen mit ihrer Leidenschaft für exquistite Tees. Im Bellocq Tea Atelier im Industrieviertel Greenpoint in Brooklyn haben sie eine verzauberte Welt geschaffen, in der sie ihre aussergewöhnlichen Tees so wunderschön inszenieren, dass sie fast romantische Gefühle wecken.

Wäre da nicht die raue Schale der ehemaligen Bleistiftfabrik in der Nähe des East Rivers, die rohe Grossstadtästhetik, man würde denken, in einer Fabelwelt gelandet zu sein. Rustikale Gestelle aus rezykliertem Holz, venezianisch inspirierte Stucco-Wände, drapierte Stoffe, hängendes Moos und Farn. Alles moduliert durch rembrandtsche Licht- und Schattenwürfe.

In den Regalen leuchten vor der auberginegetönen Wand riesige gelbverkleidete Teedosen. Heidi Johannsen Stewart hantiert an der Theke mit fingerhutgrossen Tea Cups. Sie wirkt dabei genau so zart wie das hauchdünne Glas in ihren Händen. Während ihr Kompagnon Michael Shannon, eher der Kobold im Fabelland, mit Wikinger-Zopffrisur durch das Tea Atelier herumwirbelt. Nicht lange, und wir sitzen auf altrosa Samtkissen in der Sitzecke des Tasting Room, nippen an einem «Pu-Erh», einem speziell gereiften Tee aus der chinesischen Provinz Yunnan. Er hat einen kräftig-erdigen Geschmack.

Heidi Johannsen Stewart zerbrösmelt einen dunklen Fladenkuchen - «der Pu-Erh wird zuerst gedämpft, bevor er seine Form gebracht wird» - auf dem Tischchen. «Diesen hinteren Raum haben wir einem tradtionell arabischen Wohnraum, wo man sich auf Sofas gegenübersitzt, Gedichte vorliest und Tee trinkt, nachempfunden», sagt Michael Shannon während er am dampfenden Tässchen des frisch aufgegossenen Pu-erh schnuppert. «Ein Ort zum Entspannen und Geniessen. Verkauft wird hier nichts.»

Wir wollten ein Produkt kreieren, das sofort ins Auge fällt und das man anfassen möchte. Der Tee muss dabei von der allerfeinsten Qualität sein. Es soll eine Erfahrung sein, in die man total eintauchen kann.

Kennengelernt haben sich die Gründer von Bellocq bei Amerikas berühmtester Hausfrau Martha Stewart.

Heidi arbeitete als Food-Redakteurin, -Stylistin und Rezeptentwicklerin beim Magazin Martha Stewart Living, Michael entwarf für das Unternehmen Produkte. «Wir reisten beide viel in der Welt herum und brachten uns gegenseitig besondere Tees mit», erzählt Michael. Dieses kleine Ritual wurde zur Geschäftsidee, als Heidis Gatte, Interiordesigner Scott Stewart, der in London für die US-Ladenkette „Anthropologie“ tätig war, ein Lokal an der King’s Road entdeckte, das temporär zu haben war. «Also eröffneten wir ein Teegeschäft in London», erzählt Michael Shannon als wäre der kalte Sprung ins Unternehmertum fernab der Heimat das Selbstverständlichste der Welt. «Was es aber überhaupt nicht war», verstreut er solche Gedanken. «Ich fand das alles zu Beginn schon etwas sehr beängstigend.» Die passionierten Teeliebhaber sahen jedoch damit die Chance, eine Nische für die High-End-Tees, qualitativ hochstehende Raritäten, zu besetzen, die sie vergeblich im Retailmarkt suchten.

Hinter den verschieden Teemarken, wussten sie, stehen vor allem grosse Unternehmen, die Massenware produzieren und je nach Abnehmer mehr oder weniger nett verpacken. Bellocq sollte anders werden. Ein Handwerksbetrieb, bei dem die ganze Produktionskette vom Einkauf und der Formulierung von Teemischungen über die Verpackung bis zum Ladendekor konsequent aus einer Hand kommt. Das temporäre Londoner Ladenlokal gab den Unternehmer-Novizen die Möglichkeit, den Brand zu entwicklen und aufzubauen. Einen Masterplan gab es nicht. «London war ein spontaner Entscheid. Das Geschäft hat sich dann daraus wie selbstverständich weitererwickelt», sagt Heidi Johannsen Stewart.

In unserem Sortiment gibt es nicht eine Auswahl verschiedener Darjeelings oder Earl Greys. Wir haben nur eine dieser Teesorten. Die beste, die wir finden konnten.

Vor uns liegen kleine Schälchen mit getrockneten Blättern. Einfache, edle, ganzblättrige Schwarztees. Weisse und grüne Tees. Oolongs. Die Bellocq-Mischungen mit schönen Namen wie ‚Kikuya’, ‚The White Wolf’, ‚The Queen’s Guard’ oder ‚L’Etoile de l’Inde’. Man sieht gelbe Kamillenköpfchen, rosa Rosenknospen und blaue Kornblumenblüten, riecht Zitronengras, Kardamomkapseln, Pfefferminze, Lavendel, Salbei, Ingwer. Es sind zu Teemischungen gewordene Fantasien und Erinnerungen. ‚Le Hammeau’ zum Beispiel soll einen Spaziergang durch ein Wildblumenfeld evozieren. «Die Sonne scheint hindurch, warm und weich. Man fühlt sich unbeschwert, frisch aber auch geerdet», rezitiert Heidi Johannsen Stewart die Kreation, die als dunkelgoldener Aufguss endet, den sie in die kleinen Cups giesst.

Die Mischungen entstehen intuitiv. Ähnlich wie ein Parfümeur, der aus seinem Duftgedächtnis schöpft und spontan ahnt, was zusammenpassen könnte, entwickelt Heidi Johannsen Stewart ihre ‚Blends’. Das sind oft lange, ausgeklügelte Prozesse. Manchmal funktionieren die Mischungen aber auch auf Anhieb. Genau so intuitiv entwickelte sich der Bellocq-Stil. Aus dem Einen ergab sich das Andere. Die Ladeneinrichtung zimmerten sich die Stil- und Tee-Experten aus Gebrauchtholz vom Schrottplatz zusammen. Als Wandfarbe wählten sie, da waren sie sich sofort einig, einen Aubergineton. «Als Scott den Farbton zum ersten Mal mischte, wussten wir sofort, dass die Etiketten für die Teedosen gelb sein mussten.» Den Firmennamen liehen sie sich vom Fotografen Ernest J. Bellocq aus New Orleans, der 1912 stilprägende Aktfotos von Prosituierten aus dem Vergnügungsviertel Storyville veröffentlichte. «Weil uns diese Ästhetik gefällt», meint Heidi Johannsen Stewart. Dass die Buchstaben dieses Namens als Schriftzug visuell gut wirken, war aber wohl mindestens so wichtig.

Dennoch ist der Name ‚Bellocq Tea Atelier’ ganz diskret in kleinster Schriftgrösse unten am Etikett. Er wirkt nicht laut und dominant, sondern eher wie eine Empfehlung für Stil und Qualität. «Wenn man ein Produkt kauft, nimmt man davon Besitz. Es gehört einem und wird zu etwas ganz Persönlichem. Das wollen wir damit ausdrücken», erklärt Michael Shannon.

Wir sind ganz grosse Teeliebhaber. Für uns ist aber auch der Lifestyle-Aspekt wichtig. Dabei möchten wir die Teewelt allen zugänglich machen und ihr das Snobistische nehmen.

Nach einem Jahr in London siedelte der Pop-Up-Tea-Store in die ehemalige Bleistiftfabrik von Greenpoint in Brooklyn über.

Für Privatkundschaft ist er nur zu beschränkten Zeiten geöffnet. Mit dem Umzug konzentrieren sich die Bellocq-Gründer vor allem auf Wholesale. Mittlerweise findet man Bellocq-Tees in ausgesuchten Geschäften in den USA, in Japan, Mexiko, Kanada, China und England.

Eine neue Kundschaft sind Restaurants, die verstehen, dass sie mit Tee eine neue Gastro-Kultur aufbauen können. «Das ist mit beim Kaffee mit Boutique-Röstereien und speziell ausgebildeten Barristas bereits passiert. Nun ist die Zeit reif, dass auch Tee die gleiche Wertschätzung erhält», meint Michael Shannon. «Es ist total spannend, was man mit Tee sonst noch alles machen kann. Tee-Partys und Tee-Cocktails, zum Beispiel, oder Kochen mit Tee.» Heidi Johannsen Stewart und Michael Shannon sehen Bellocq als selbsttreibendes Vehikel, das sie ohne genaues Ziel irgendwohin führt. «Wir wollen, uns weiterentwickelen, neue Möglichkeiten auskundschaften und damit experimentieren», sagt Heidi Johannsen Stewart.

Deshalb arbeiten sie jetzt mit Glas und Keramik und schaffen daraus Teeservices. Das soll aber erst der Anfang sein. Wohin die Reise geht, ist den Bellocq-Gründern einerlei. Sie soll genau so spontan verlaufen wie der Entscheid, das Abenteuer in London zu wagen. Nur eins: «Bellocq soll für uns und für unsere Kunden etwas Geheimnisvolles bewahren.»

  • Bilder: Reto Caduff
  • Text: Simone Ott
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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