Urban Farmers
Marke: Luma Dry Aging Co. Markenmacher: Lucas Oechslin und Marco Tessaro
Marke: Luma Dry Aging Co.
Markenmacher: Lucas Oechslin und Marco Tessaro
Aus dem Antrieb heraus, in der Schweiz qualitätskonstantes Rindfleisch zu produzieren, entwickelten die beiden Ostschweizer Lucas Oechslin und Marco Tessaro ein neues Reifeverfahren. Ein von Hand auf das Fleisch aufgesprühter Edelschimmelpilz sorgt dabei für besondere Zartheit und einen unverkennbaren Geschmack.
In kurzer Zeit wurde Luma Beef zum gefragten Luxusprodukt.
Wie in vielen Branchen kommt es auch in der des Fleisches nicht häufig vor, dass jemand die vorgeebneten Wege verlässt. Anders Lucas Oechslin und Marco Tessaro. Mit fast jungenhafter Neugier hinterfragten die ursprünglich gelernten Maschinenmechaniker gängige Bräuche und Verfahren des Gewerbes und probierten, zunächst mehr als Hobby, «einfach gern Dinge mit Fleisch» aus.
Die Freunde kennen sich seit ihrer Kindheit. «Das erleichtert die Zusammenarbeit enorm», findet Lucas und erinnert sich: «Wir schauten zusammen Fern, als mich Marco plötzlich fragte, warum ein Fleisch eigentlich zarter ist als das andere.» Der Biotechnologe schrieb damals noch an seiner Arbeit «Genetik der Rinderzucht», Marco hatte als Betriebswirtschafter schon im Berufsalltag Fuss gefasst. «Die Frage hat uns fortan irgendwie beschäftigt, weil wir beide auch sehr gern Fleisch essen. Dass man daraus dann ein Business machen kann, da kam natürlich Marco drauf», sagt Lucas und lacht. Er sei von ihnen beiden «eher der Geschäftstyp». Sie wohnten zu dieser Zeit zusammen in Zürich. Als dann auch Lucas sein Studium beendet hatte, arbeiteten beide und tüftelten in der gemeinsamen Freizeit an ihrer Idee. «Wir hatten nichts zu verlieren, probierten Dinge aus und plötzlich waren wir irgendwie schon mittendrin» erzählt Lucas.
Ich wollte immer selbständig sein, nicht machen, was ein anderer mir sagt. Mit Lucas zusammen ist das natürlich top.
In einer kleinen Gemeinde am Westufer des Zürichsees erhielten sie die Möglichkeit, Metzger Fritz Morach über die Schulter zu schauen. «Das war eine lehrreiche Zeit, wir haben dort das Handwerk erlernt und auf einem Quadratmeter der Metzgerei unsere ersten Pilze kultiviert und getestet.» Den richtigen Pilz für ihr Reifeverfahren zu finden, gestaltete sich als das schwierigste Unterfangen. «Wir wollten einen Pilz finden, der möglichst schnell wächst, weil so die Lagerzeit des Fleisches verkürzt werden könnte» erklärt Lucas. Ausserdem durfte der Pilz nicht giftig sein, sollte gewisse Enzyme enthalten, keine Fasern und auch unter Minus 5 Grad wachsen. Aufgrund all dieser Kriterien entwickelten sie eine Matrix. «Von allen Pilzen passten diese Suchkriterien dann vielleicht noch auf zirka 10 Stück und mit denen arbeiteten wir.»
Schimmel in seiner reinsten Form
Den perfekten Edelschimmelpilz fand Lucas dann in der Natur. Um ihn in der reinsten Form verwenden zu können, wird der Schimmelpilz nun künstlich im LUMA Labor in Zürich erzeugt und kultiviert. Vom Urpilz entnommen, wird er dort immer wieder frisch gezüchtet. Bevor er auf das Fleisch gesprüht wird, muss er verflüssigt werden. Im Fläschchen wird er nach Neuhausen am Rheinfall geschickt. Dort befindet sich die Luma Beef GmbH, der im Sommer 2011 für ihre Reifungsmethode das Patent zugesprochen wurde. «Plötzlich waren wir dann all das hier», sagt Lucas und lässt seine Augen durch die hellen Hallen wandern. Marco lugt hinter seinem Laptop hervor und meint: «Ich wollte immer selbständig sein, nicht machen, was ein anderer mir sagt. Mit Lucas zusammen ist das natürlich top.»
«Eigentlich sahen wir uns eher in einer alten Metzgerei», erzählt Lucas. Aber sie fanden nichts, was den Auflagen des Gesundheitsamtes entsprach. Betritt man heute die Räumlichkeiten des Start Ups, findet man sich in einer Mischung aus Kühlräumen, Metzgerei, Büro und Skaterhalle wieder.
Es hängt ein eigener Geruch in den Räumen. Die beiden fensterreichen Büroräume sind durch eine Glasscheibe voneinander getrennt. Über einem Stuhl hängt eine militärgrüne Jacke, ein Basecap und ein leuchtend blauer Rucksack. Stifte stecken in einer Kaffeetasse von Marcos früherem Arbeitgeber, ihre Laptops zieren Sticker wie «In and out Burgers». «Irgendwie haben wir noch zu viel Platz», grinst Lucas fröhlich, als wir beim Besichtigen der Räume plötzlich an einer Minirampe vorbeigehen und an einem Grill, der ein bisschen herrenlos in einem der hohen Räume steht. Die Lagerhallen befinden sich neben einem Waldstück, unweit vom Rheinfall. «Der Kanton hat unser Potential erkannt und uns mit Geld unterstützt, das wir nie zurückzahlen müssen. Unter der Bedingung, dass unsere Firma mindestens fünf Jahre lang in Schaffhausen sein muss und dass wir Arbeitsplätze schaffen.«
Erst gereift, dann schockgefroren
Sieben Mitarbeitende zählt die Firma inzwischen, alles junge Männer. Direkt beim Eingang hängen drei Bilder, der Edelschimmelpilz in Nahaufnahme. Lucas erklärt anhand der Bilder, was in den Kühlräumen vor sich geht. Er blickt über seine Schulter und meint: «Manche finden Schimmel nicht schön. Ich kann das nicht verstehen. Das sieht doch aus wie ein Zauberwald, nicht?»
Im Kühlraum dann liegen auf Metallgestellen in Reih und Glied die edlen Fleischstücke. Das Fleisch wird trocken abgehangen und reift mehrere Wochen am Knochen. Davor wird der verflüssigte Schimmelpilz mit einer Art Paintbrush-Pistole auf das Fleisch aufgesprüht. «Das machen nur wir», sagt Lucas. Das Verfahren liessen sie patentieren. Der Edelschimmelpilz reift dann solange bis ein dicker Pilzmantel das Fleisch überzieht. Er wächst in das Fleisch hinein und löst teilweise das Kollagen auf, das die Muskelfasern im Fleisch umschliesst, und macht es so zart. Nach dem Reifungsprozess wird der Pilz aussen abgetrennt und das Fleisch bis zum Gebrauch schockgefroren.
Manche finden Schimmel nicht schön. Ich kann das nicht verstehen. Das sieht doch aus wie ein Zauberwald, nicht?
Garantierte Qualität
Die Luma Beef GmbH liefert an Privatkunden, Sterneköche und Restaurants. Wo bislang nur argentinisches Rindfleisch oder Wagyu-Beef aufgetischt wurde, steht nun nicht selten auch LUMA Beef auf der Speisekarte. «Das freut uns enorm», sagt Lucas. «Wir haben uns immer gefragt, warum es nicht möglich sein kann, Schweizer Produkte auf ein Niveau zu bringen, das vergleichbar ist mit dem amerikanischer oder argentinischer Steaks.» Statt sich diese Frage nur selbst zu stellen, kontaktierten sie kurzerhand eine Handvoll Sterneköche, die ihnen sagten, dass die Schwankungen in der Qualität der Grund dafür seien. «Diese beheben wir, indem wir unser Produkt bis zum gewünschten Punkt reifen lassen und dann schockfrosten. So ist die Qualität immer dieselbe und garantiert. Darüber definieren wir uns», erläutert Lucas.
Es brauche jedoch Zeit bis die Konsumenten akzeptierten, dass tiefgefroren nicht mit Qualitätsverlust gleichzusetzen sei. Je schneller man ein Fleisch einfriere, umso besser. Laut Lucas ist aber noch viel Aufklärungsarbeit nötig: «Das Problem beim langsamen Einfrieren ist, dass die Zellen beim Auftauen beschädigt werden. Es bilden sich langsam wachsende und relativ grosse Eiskristalle, die der Zellstruktur des Produktes schaden.» Das kann beispielsweise zu Saftverlust beim Auftauen führen. Bei der schnellen Schockfrostung bei -40 Grad, wie es LUMA macht, könne die Saftigkeit und der Geschmack garantiert beibehalten werden und habe zugleich eine höhere Mindesthaltbarkeit.
«Das ist natürlich nicht in jedermanns Sinne», gibt Lucas zu bedenken. «Leider. Denn man könnte so verhindern, dass so viel Fleisch weggeworfen wird, wie das jetzt in den Supermärkten der Fall ist.» Die Produzenten würden dadurch aber weniger verkaufen, weil die Nachfrage aufgrund sinkender Verluste auf Seiten der Verkäufer kleiner würde. «Ein Teufelskreis, der sich unbedingt noch zu durchbrechen lohnt», wie Lucas findet. Er stemmt ein grosses Stück verpacktes Fleisch aus dem Regal und zeigt nicht ohne Stolz die feine Marmorierung. «Es wird nie etwas anderes sein, was uns auszeichnet als Qualität», sagt er. «Mit unseren Produkten wollen wir auf jeden Fall einen Schritt in die richtige Richtung machen und damit auch Leute aufklären – und natürlich das Beste für auf den Grill bieten.»