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Marke: Nenad Mlinarevic Markenmacher: Nenad Mlinarevic
Marke: Nenad Mlinarevic
Markenmacher: Nenad Mlinarevic
Nenad Mlinarevic kocht regional und setzt dabei gänzlich auf inländische Produkte. Mit seiner Kochkunst begeistert er die Feinschmeckerwelt. Dass es den 35-Jährigen in die Küche verschlug, ist purer Zufall. Dass er dort der Beste ist, hingegen nicht.
Neben dem Guide Michelin ist der Gault-Millau der bedeutendste Haute-Cuisine-Führer aus Frankreich. Der Michelin verteilt Sterne, der Gault-Millau Mützen und Punkte für eine eigenständige und innovative Küche. Dabei wird auch die sorgfältige Verarbeitung der Produkte berücksichtigt.
Drei Michelin- oder zwanzig Gault-Millau-Punkte sind die Höchstbewertung.
Sportlicher Ehrgeiz
Wüsste man es nicht besser, könnte man beim Studieren der Mitteilung, in der Nenad Mlinarevic zum «Koch des Jahres 2016» gekürt wurde, denken, man lese einen Sportkommentar: Begriffe wie in «Rekordzeit», das «Rennen machen» und in die «Spitzengruppe vorstossen» reihen sich aneinander. Das klingt so gar nicht nach den Händen, die vorsichtig mit einer Pinzette kleinste Blättchen auf einem Teller drapieren. Nicht nach Pfännchen, gefüllt mit verschiedenen Sossen, die leise wimmernd auf dem Herd stehen und dabei köstlich duften. Auch nicht nach jemandem, der in aller Abgeschiedenheit auf einer holprigen Strasse im Luzerner Hinterland zu einem Bauernhof fährt, um dort Kartoffeln oder Linsen zu degustieren, als hätte er alle Zeit der Welt. Doch genau das ist es, was Nenad Mlinarevic auszeichnet.
Einfach nur mitmachen – das ist nichts für mich.
Mehr wollen als andere
Bevor er sich hinsetzt, wischt Nenads Mlinarevic zwei verirrte Kieselsteine von der Sitzgruppe auf der Terrasse des Park Hotel Vitznau.
Er hat eine ruhige, feinsinnige Ausstrahlung und spricht leise, als er erklärt, dass sein Job dem eines Sportlers nicht ganz unähnlich sei: «Mehr machen zu wollen als die andern, das Durchhaltevermögen und die Disziplin, das ist ähnlich wie beim Sport.» Vergleicht man Mlinarevic mit Fotos aus vergangenen Tagen, scheint da irgendwie ein Drittel weniger von ihm zu sitzen. Er lehnt sich zurück, die Hände im Nacken verschränkt: «40 Minuten Ausdauertraining am Morgen, duschen und dann hierherkommen. Das tut gut.» Die Wortwahl verrät: Die verschlankte Optik kommt nicht von ungefähr. Früher spielte er leidenschaftlich Eishockey, Fuss- und Basketball. «Seit einem Jahr betreibe ich nun wieder intensiver Sport», erzählt er. Das zeigt: Wenn Mlinarevic sich etwas vornimmt, macht er es auch.
Ehrgeizig sei er schon immer gewesen: «Einfach nur mitmachen – das ist nichts für mich. Ich will schon gewinnen», sagt er. «Vielleicht hat es auch mit meiner Mentalität zu tun. Meine Eltern sind aus Serbien und haben immer hart gearbeitet. Dieses Feuer, durch gute Arbeit etwas zu erreichen, trage ich auf jeden Fall in mir.» Seine Eltern seien da anders als er: «Viel entspannter, nicht so getrieben.» Aber mein Bruder ist genau gleich wie ich.» Zeljko, der sechs Jahre älter ist, absolvierte im selben Betrieb wie Nenads seine Lehre – im Service. «Anders als ich blieb er aber nicht im Job und ist heute bei der VBZ.» Zu ihrem Ausbildungsplatz kamen beide jungen Männer durch ihren Vater, der im Führerstand der Dolderbahn arbeitete und so mit dem Leiter des Restaurants Dolder bekannt war. Bis zu dem Moment, als Mlinarevic seine Schnupperlehre begann, war er jedoch völlig unschlüssig, was seine Zukunft anbelangte.
Mehr Fantasie durch selbst auferlegte Grenzen
«Kochen war nie eine Vision von mir. Ich erzähle jetzt auch keine Geschichte darüber, wie ich schon als Kind gern meiner Mutter in der Küche half», verrät er mit einem ironischen Grinsen. «Mein Vater kocht extrem gut, meine Mutter war Hausfrau und hat immer alles selbst gemacht. Es gab stets warme Mahlzeiten, das Essen und das Zusammensitzen waren immer wichtig. Aber wie alle anderen Kinder fand ich es einfach toll, wenn es unverhofft einen Snack gab, weil ich gern esse. Ich hatte auch nie ein Lieblingsessen oder ein Lieblingsrezept.» Untypisch für einen Koch? Er überlegt. «Was man sagen kann: Lieber mag ich Fisch als Fleisch. Wenn mein Vater früher Koteletts machte, hab ich jeweils alle Sehnen und das Fett weggeschnitten, das hat mich damals schon gestört.» Als der 15-jährige Nenad dann seinen ersten Tag in einer professionellen Küche erlebte, änderte sich alles: «Das Stressige, das Kreative, das eingeschworene Team, das auch zusammen lacht – ich wusste sofort, dass ich nie mehr etwas anderes machen will.»
Wir verbringen mehr Zeit in unserem Team als mit unseren Familien oder Partnerinnen. Da möchte ich mit Leuten zusammen sein, die eine Persönlichkeit haben.
Sein fünfköpfiges Team im Restaurant Focus im Park Hotel Vitznau am Vierwaldstättersee, wo Mlinarevic seit 2013 kocht, hat er selbst zusammengestellt.
Als er durch die leere Küche führt, wischt er zunächst zwei winzige Krümel von einer der an seine Grösse angepassten Ablageflächen. Sein Team bestellt er immer gerade so knapp, dass keine Zeit zum Rumstehen bleibt. «Lieber weniger, dafür intensiver, konzentriert und schnell arbeiten. So bleibt am Morgen für alle mehr Freizeit, das ist wichtig für den Ausgleich», erklärt er seine Führungsstrategie und ergänzt mit Nachdruck: «Ich hasse Verschwendung. In allen Bereichen des Lebens. Wenn einer rumeiert, dann bitte ohne mich. Ich habe das Gefühl, immer zu wenig Zeit zu haben.»
Ich hasse Verschwendung. In allen Bereichen des Lebens.
Alles regional
Mit seinem Team hat sich Mlinarevic der Philosophie des Regionalen und Saisonalen verschrieben. In seiner Küche finden sich deshalb einzig Schokolade und Kaffee, deren Zutaten nicht aus der Region stammen. «Das Arbeiten fällt mir trotz der reduzierteren Auswahl leichter als früher. Eine definierte Richtung gibt klare Regeln vor und manchmal beflügelt Eingeschränktheit die Fantasie.» Seine Konsequenz hat massgeblich zu seinem starken Image beigetragen. Er ist inzwischen bekannt dafür, dass es in seiner Küche weder Olivenöl noch Pfeffer gibt.
Mein Fisch kommt eine halbe Stunde von hier. Das schmeckt einfach anders als ein eingefrorener Thunfischblock, der eine Reise von 72 Stunden hinter sich hat.
«Ich bin von dieser Strategie überzeugt, sonst würde ich das nicht machen», sagt er und meint: «Mein Fisch kommt eine halbe Stunde von hier. Das schmeckt einfach anders als ein eingefrorener Thunfischblock, der eine Reise von 72 Stunden hinter sich hat.» Es gebe in der Region so viele gute Produkte und er sei sich sicher, dass wer die Schweiz besuche, erleben möchte, wie die Schweiz schmeckt: «Wir gehen ja auch nicht nach Thailand, um dort Pizza zu essen.»
Küchenchef mit Rockstar-Flair
Essen ist dieser Tage ein omnipräsentes Thema und vermutlich werden inzwischen mehr Kochsendungen als Musikclips geschaut. Entsprechend verlagert haben sich die Sponsoring- und Testimonial-Anfragen der Unternehmen. Auch an Mlinarevics Küchentür klopft es nicht selten: Seine Partner – darunter Victorinox, V-Zug, IWC und Maserati – wählt er mit Bedacht: «Es muss hundertprozentig passen.» Auf das schnelle Auto angesprochen beginnt er zu lachen und seine Augen fangen an zu leuchten. Seine kräftigen, pechschwarzen Haare sind schwungvoll angeordnet, sein Unterarm tätowiert. Ins benachbarte Dörfchen Gersau, wo sein schnelles Auto in der Garage steht, passt er damit genauso wenig wie in dieses Bilderbuch namens Vitznau. «Das deckt dann eher eine private Leidenschaft ab. Ich liebe schnelle Autos!» Er steckt die Hände in die Luft. «Dass man als Koch einen Maserati bekommt, wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.» Doch auch diese Kollaboration passt: «Was wir herstellen, ist kein Massenprodukt. Maserati auch nicht.»
Mlinarevic, der gern reist, freut sich auf den kommenden Urlaub. «Ich möchte in Los Angeles oder Südafrika ein Haus mieten, Auto fahren, mein Telefon ausschalten und sonst nichts machen.»