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Michel Péclard – mit einer Prise Mut auf den Thron

Marke: Péclard – Schober Markenmacher: Michel Péclard

Marke: Péclard – Schober

Markenmacher: Michel Péclard

Die Boutique in der kopfsteinbepflasterten Napfgasse aus der vorletzten Jahrhundertwende hat eine lange Geschichte. 1874 kam sie in den Besitz ihres Namensgebers Theodor Schober. Zwei Generationen prägten den Familienbetrieb bis schliesslich die Erbengemeinschaft Schober die Konditorei an die Confiserie Teuscher verpachtete. Der Name Schober blieb stets Bestandteil der Marke, die heute vom aktuellen Pächter Michel Péclard neu definiert wird.

Wo würde Proust hier wohl mit Beschreiben beginnen, wenn er schon für ein simples Madeleine das Papier eines halben Baumes benötigte?

Die Konditorei Schober fesselt mit ihren Details: Die stuckbesetzte Decke mit dem imposanten Leuchter, der dunkle Holzboden und all die assortierten Köstlichkeiten auf silbernen Etagères lassen einen innehalten. Kindern gleich will man alles stehen und liegen lassen, die schönen Schachteln im uralten Provence-Schrank bestaunen; ausprobieren, ob diese alte Silberkasse tatsächlich in Betrieb ist und dann bitte schnell eins, zwei, fünf dieser schillernden Patisserie-Stückchen kosten! Vermutlich ginge es uns mit der Unfähigkeit zur verbalen Zurückhaltung wie Proust, hätten wir uns denn bis anhin schon einmal etwas Vergleichbares auf der Zunge zergehen lassen. Und genau das Unvergleichbare ist es, was Michel Péclard in seinem Café den Spagat zwischen Mehrheitsfähigkeit und Einzigartigkeit vollziehen lässt. Nirgendwo sonst soll es ähnlich gute Patisserie geben. Doch bevor sich Michel Péclard den Feinheiten und Qualitätsansprüchen seines Cafés widmen konnte, gab es einige grobe Hürden zu überspringen. Allein schon der Druck, der ein derart traditionsreiches Unternehmen mit sich bringt, schien ihm schlicht zu gross.

In Zürich gibt es drei Grosse: Die Kronenhalle. Das Odeon. Und dann eben den Schober. Da überlegt man sich schon zweimal, ob man derjenige sein möchte, der so was unter Umständen in den Sand setzt.

Erst als ein guter Freund ihm mitteilte, dass das Schober, wenn er selbst es nicht übernehme, fortan ein Dasein als Filiale einer Billigkleiderkette fristen sollte, übermannte ihn sein tief verankertes Mitgefühl für Zürich, und er nahm die Herausforderung an. Selbige war mindestens so facettenreich wie Monsieur selbst: Erbschaftsstreitigkeiten, Probleme mit dem Namen «Schober», den Teuscher für sich als Marke hatte schützen lassen, Geschmacksrichtungen, die bipolare Ziele anstrebten und Vorschläge, die den impulsiven Unternehmer schlichtweg die Wände hochgehen liessen.

Da wollten manche den Schober mit Corbusier Stühlen füllen und diese mit neonfarbenen Wänden umzingeln. Das hatten wir doch alles schon tausendmal. Was für ein Graus!

Nicht selten liess Péclard während der Renovation den einen oder anderen mit offenem Mund stehen. Für die Gestaltung wollte er nämlich partout keine Designer engagieren, sondern Bühnenbildner, die Kulissen bauen. Auf diese Weise sollten sie mit ihm eine Erlebniswelt wie im Märchen erschaffen, wo ungehemmt geträumt werden darf: Vom Baden in Schokolade, vom Fliegen und vom Königsein. Eine Welt so verführerisch wie Prousts verlockendes Madeleine, bei dessen Verzehr Erinnerungen und Wünsche zum Greifen nah scheinen.

Nennen Sie mir einen Menschen, der als Kind nicht davon geträumt hat, König oder Königin zu sein. Diesen Traum möchte ich für einen Moment für jeden von uns wahr werden lassen.

Und im «Salon Rouge» geschieht eben dies. An der niedrigen Decke wechseln sich massive Querverstrebungen aus Holz mit samtüberzogenen Kissen ab, angebracht, um die Akustik des Raumes zu optimieren (was nicht wirklich funktioniert, denn man hört die Musik - die in einem Fahrstuhl ohnehin besser aufgehoben wäre - nur bei genauem Hinhören).

Stehlämpchen mit crèmefarben befransten Stoffschirmchen stehen auf Beistelltischchen und Bilder hängen in dicken Goldrahmen, manch eines davon ziemlich schief, an den zinnoberroten Wänden. Man fühlt sich tatsächlich königlich riesig in diesem Raum. Und wie man so wohlig in den Tiefen der Polstersitze versinkt, ertappt man sich dabei, wie man in die Backstube dieses Cafés ein altes, tatteriges Ehepaar projiziert, wie sie da stünden und mit der naturgegebenen Langsamkeit ihres Alters Törtchen um Törtchen verzierten. Zurück in die Realität bringt uns erst die Backstube. Sie ist hell beleuchtet, hunderte von Blechformen und riesige Schwingbesen hängen an den Wänden. Kolossale Öfen und Kühltruhen bilden eine silberne Front, die heizt und piept und kühlt. Das Radio läuft, es ist gefühlte 36° Grad und zwei Jugendliche stehen sich wortlos gegenüber und arbeiten. Sie hantieren mit Bunsenbrennern und besprühen ausgewählte Patisserie mit modernster Airbrush-Technik. Sie sprechen kein Wort, und alles läuft, obwohl sie heute alleine sind. Der Chef Patissier Marc Döhring, der älteste in dieser Backstube, ist abwesend. Er feiert grade seinen zweiundzwanzigsten Geburtstag. Und hierhin, in diese sehr reale, industrielle und schnelllebige Welt, passt Michel Péclard, den man abgesehen vom Nachnamen nicht unbedingt in die verschnörkelte Pariser Welt der Patisserie einordnen würde. Er hat wache, leuchtend blaue Augen und ein Lachen, das die Tassen im Schrank erzittern lässt. Er verästelt seine Geschichten bis ins Unendliche und reiht Anekdote an Anekdote, ohne dass man auch nur einmal eine Frage stellt. Sein Tatendrang und seine Leidenschaft für seine Arbeit springen einen förmlich an und finden sich in all den Details des Cafés wieder.

Ich liebe Süssigkeiten. Ich liebe das Reisen. Ich liebe Inspiration. Ich liebe dieses Café. Ich liebe meine Arbeit. Ich liebe alles, was ich tue, und ich habe hundert Ideen, die ich noch umsetzen möchte.

Eine davon war, verschiedenen Produzenten den Rahmen für eigene Produkte zu gewähren. So stammen beispielsweise die ausgefallenen Marmeladengläser aus Südfrankreich; das Pärchen Catherine und Delphine fertigt dort fernab von jedem Trubel den exklusiven «Gelée de Champagne». Und der Starpatissier Patrick Mésiano aus Monte Carlo zeigt sich federführend für die Patisserie und empfängt dann und wann eines von Péclards Backstubenküken, auf dass sie vom Besten lernen - und im Idealfall die Kreationen mit eigenen Ideen verfeinern. Es scheint dies der Königsweg, einer traditionsreichen Marke innovativen Wind einzuhauchen.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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