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Marke: Burri, Magnum, Che Guevara Markenmacher: René Burri
Marke: Burri, Magnum, Che Guevara
Markenmacher: René Burri
Mit einem Bild des kubanischen Comandante Che Guevara schuf René Burri 1963 – ohne es zu wollen – einen Brand, der seither für allerlei Revolten und Revolutionen adaptiert wurde.
Eine Marke wurde im Verlauf seiner Karriere aber auch der Name «René Burri». Der Brand steht als Siegel für künstlerische Qualität, Vielseitigkeit und Authentizität. Über 50 Jahre lang war Burri auch Teil der Marke «Magnum», der renommiertesten Fotoagentur der Welt.
Zuerst kommt der braune Borsalino. René Burri steigt eine Treppe aus dem Untergeschoss der Galerie hoch, in der er die Hängung seiner Bilder begutachtet hat. Er guckt über die Brüstung und strahlt Zufriedenheit aus über das, was er in den Katakomben gesehen hat. Der 78-jährige Fotograf trägt ein Hemd in schrillem Pink, davor baumelt eine Leica. Burri ginge wohl eher ohne Hose aus dem Haus als ohne Kamera.
Die verpasste Revolution
Am Boden neben Burri steht die Fotografie eines Spiegels, in dem ein nacktes Mädchen zu sehen ist. «Das ist Laurence, ich habe sie 1970 in Perth, Australien fotografiert.» Mehr will er dazu nicht verraten.
Gesprächiger wird Burri, wenn er auf das Bild von Che Guevara angesprochen wird, das an der Wand hinter ihm hängt. «Nachdem ich dummerweise die Revolution in Kuba verpasst hatte, weil ich mit meiner Familie in den Skiferien war, erhielt ich zwei Jahre später einen Anruf von Magnum. Es hiess: Burri, Du gehst nach Kuba.» Also reiste er an Silvester mit dem Zug über Wien nach Prag und flog von dort mit einer russischen Iljuschin nach Kuba.
Als ich im Taxi zum Hotel sass, fuhren links und rechs von uns Panzerkolonnen für die Revolutionsfeierlichkeiten vorbei.
Burri war aufgeboten, Bilder für ein Interview der Zeitschrift «Look» mit Che Guevara, der Nummer Zwei der kubanischen Revolution, zu machen. «Die blonde amerikanische Journalistin Laura und der Comandante haben sich drei Stunden lang belauert und bekriegt – und ich war dazwischen. Während der ganzen Zeit ist Che im Büro auf und ab gesprungen und herumgetigert. Es waren drei Stunden Knochenarbeit für mich.» Eines der Bilder aus dieser Session ist zur Ikone geworden: ein arroganter, selbstsicherer Che mit dicker Havanna zwischen den Lippen.
Nachdem später der tote Che zum globalen Helden des Widerstandes gegen das Establishment avanciert war, wurde das Bild tausendfach gestohlen und auf Posters, Flaggen, T-Shirts, aber auch auf Uhren, Kaffeetassen und Aschenbecher gedruckt.
Der «Brand» Che war so stark, dass nicht einmal die Fotoagentur Magnum dem Bilderklau Einhalt gebieten konnte. Dabei war Magnum, der Burri seit 1959 als Vollmitglied angehört, 1947 genau zu diesem Zweck ins Leben gerufen worden: Die Magnum-Gründer Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, George Rodger and David Seymour standen nach dem Krieg vor dem Nichts, sie hatten kein Copyright auf ihren Bildern. Das musste sich ändern: Sie wollten selber entscheiden, wo ihre Fotos publiziert werden, deshalb gründeten sie Magnum. Die Agentur ist eine Kooperative, in der «jeder seinen eigenen Laden hat», sagt Burri.
Es gab ja damals weder Ausstellungen mit Fotografie noch Fotopreise: Alles, was wir hatten, waren die Zeitschriften, die unsere Bilder druckten.
Mit Hilfe von Magnum und den Aufträgen, die über die Fotoagentur hereingekommen sind, wurde jedes einzelne Mitglied mit der Zeit selber zur Marke.
Wodurch zeichnet sich denn der Brand «Burri» aus, René Burri? – Er habe keinen Stil, glaubt der Sohn eines Kochs, er sei schwierig festzunageln.
Halb ernst gemeint, halb selbstironisch fügt er bei: «Picasso hatte ja auch keinen Stil.» Er muss es wissen, schliesslich gehören die Bilder, die er von Picasso 1959 in Südfrankreich gemacht hat, zu Burris berühmtesten Werken. Tatsächlich erscheint Burris Œuvre auf den ersten Blick extrem heterogen: Er ist ein ebenso begnadeter Fotoreporter wie ein genialer Porträtist, und als Architekturfotograf hat er Massstäbe gesetzt, wie sein Buch über Le Corbusier (Birkhäuser Verlag 1999) und sein soeben erschienener Band mit Bildern aus Brasilia beweisen (Scheidegger & Spiess 2011).
Zwar wurde René Burri mit seinen Schwarzweissbildern bekannt, aber er führte stets ein Doppelleben: Für die Zeitschrift «Du» hat er bereits 1957 farbig fotografiert, und mit der Digitalfotografie hat er sich endgültig vom Schwarzweiss verabschiedet. Burri digital? Er zeigt seine Leica, die kaum anders aussieht als vor 50 Jahren – mit dem Unterschied eines Displays auf der Rückseite.
Mit der Digitalkamera muss man sich wie ein Rennross im Zügel halten.
Die Digitaltechnik verführe einen dazu, wild zu knipsen statt zu fotografieren. Früher habe er für ganze Reportagen oft nicht mehr als zwei, drei Filme zur Verfügung gehabt.
«Beim Kult um Schwarzweiss ist viel Nostalgie dabei», glaubt der jung gebliebene Springinsfeld. Obschon er bald 80 Jahre alt ist, fehlt Burri alles Greisenhafte. «Ich bin kein Burrist», sagt er, «sondern ein Pragmatiker.» Seine Karriere erscheint denn in der Rückschau auch wie ein lebenslanger Kampf gegen alle Dogmatiker.
Formale Strenge, chaotische Lebendigkeit
Liebstes Feindbild ist ihm diesbezüglich Hans Finsler, sein ehemaliger Lehrer an der Fotoklasse der Kunstgewerbeschule in Zürich.
Den strengen Formalismus Finslers hat Burri so gehasst, dass er sich auch sechzig Jahre später noch darüber aufregen kann.
Gleichzeitig hat Finsler Burris Lebenswerk sichtbar geprägt: Seine Bilder leben fast immer von einer elektrisierenden Spannung zwischen formaler Strenge und chaotischer Lebendigkeit: Che vor dem Gitterraster der Lamellenstoren seines Büros, Männer im gleissenden Licht auf dem Dach eines Wolkenkratzers in São Paulo, ein zerstörter agyptischer Militärkonvoi auf der Sinai-Halbinsel – die rigide Lehre Finslers ist Burri in Fleisch und Blut übergegangen.
Und so mag es zwar sein, dass Burri keinen Stil verkörpert – eine unverwechselbare Handschrift ist jedoch nicht zu leugnen. Burri, der seine Leica schneller zieht als Lucky Luke seinen Colt, komponiert seine Bilder in Hundertstelsekunden. Er könne fünf Fliegen gleichzeitig mit einer Hand fangen, bestätigt er eine oft kolportierte Anekdote. Wo ist Burri? – Schon wieder auf dem Sprung. Diesmal geht’s nach Moskau.