Hästens
Marke: Blind Barber Markenmacher: Jeff Laub, Adam Kirsch, Joshua Boyd
Marke: Blind Barber
Markenmacher: Jeff Laub, Adam Kirsch, Joshua Boyd
Für Jahrhunderte war er Rückzugsort des ganz gewöhnlichen Gentleman, bis er in den Siebzigerjahren nahezu verschwand: der Barber-Shop. In New York feiert die Oase des uneingeschränkten Mannseins ihre Auferstehung.
Ein Mann im Dreireiher betritt das Ladengeschäft. Er zieht den braunen Trilby-Hut vom Kopf, während er seinen Spazierstock in den dafür vorgesehenen Ständer neben der Eingangstür stellt. Die Luft des Barber-Shops ist geschwängert mit einer Melange von Pomade und Whisky.
Eifriges Scherengeklapper mischt sich mit ausgelassenem Gelächter. An einem kleinen Tisch am anderen Ende der schmalen Friseurstube sitzt eine Gruppe junger Männer beim Kartenspiel. Die Atmosphäre ist heimelig, fast familiär. So oder ähnlich stellt sich Jeff Laub den Barber-Shop seines Großvaters vor. Ein Schauplatz, der immer wieder als Kulisse in Anekdoten aus dessen Jugendjahren dient. Damals, in den wilden Zwanzigern, als der Mann noch Mann sein durfte und keinem metrosexuellen Schönheitsideal entsprechen musste. Als der Gang zum Barbier weniger der Haarpflege als vielmehr dem sozialen Austausch mit Gleichgesinnten diente.
Am Ende jeder großväterlichen Anekdote stellt sich der Enkel wiederholt die Frage: Warum gibt’s so was heute nicht mehr für meine Freunde? Eine Frage, die sich der werdenden New Yorker Anwalt 2009 mit dem Entschluss beantwortet, jenen sagenumwobenen, historischen Ort neu zu erfinden. Mit der Atmosphäre, die sein Großvater beschrieb, interpretiert für die Generation seiner Freunde. Ein Clubhaus für moderne Männer. Eine Oase, in der sich echte Kerle wohlfühlen können. Die Idee des Blind Barber war geboren.
Anwalt trifft Mediziner zur gemeinsamen Gründung einer Friseurstube
Eine gute Idee ist das eine. Schwieriger gestaltet sich für gewöhnlich der Part der Umsetzung. «Rückblickend betrachtet war es die größte Herausforderung, die richtigen Partner zu finden», verrät Jeff Laub heute. Das ist nicht verwunderlich, sind die Referenzen des Blind Barber Visionärs damals doch eher abstruser Natur.
Nach abgebrochener Ausbildung zum Kosmetiker versucht sich Laub zum fraglichen Zeitpunkt an einem Jurastudium. Ein nicht gerade gradliniger Lebenslauf, den er mit seinem Partner in spe, Adam Kirsch, teilt. Nach abgebrochenem Medizinstudium arbeitet Kirsch 2009 als Marketingberater für verschiedene Musiklabels in New York und sammelt nebenbei erste Erfahrungen als Eventmanager in der Gastronomie.
Dass die beiden Endzwanziger sich damals über den Weg laufen, ist purer Zufall. «Das letzte Puzzleteil zum Start von Blind Barber war meine Exfreundin», erzählt Laub sichtlich amüsiert. «Sie sagte: Ich glaube ich kenne da jemanden, mit dem du dich unterhalten solltest.»
Wir wollten ein Markenerlebnis schaffen mit dem wir uns komplett identifi-zieren. Ansonsten wäre unsere Geschichte absolut nicht authentisch.
Laub trifft sich mit Kirsch. Am Ende des Gesprächs ist klar, wo die Reise hingeht: Die beiden verweben Laubs Barber-Shop Idee mit einem stilvollen New Yorker Barkonzept.
Kirsch bringt mit Joshua Boyd einen gestandenen Gastronom an Bord, den er während seiner Arbeit als Eventmanager in New York kennenlernte. Der zehn Jahre ältere Boyd bringt nicht nur die nötige Gastronomieerfahrung mit, sondern auch eine potenzielle Lokalität in Manhattans East Village.Damit ist das Blind Barber Trio komplett. Gedanken an einen Businessplan verschwenden die drei Enthusiasten nicht: «Wir haben uns die Hände geschüttelt, zum Vorschlaghammer gegriffen und die ersten Wände rausgerissen», erinnert sich Laub an die Anfänge zurück.
Dabei katapultiert die Retrospektive den redegewandten Schlacks augenscheinlich auf ein Energielevel jenseits der Kernspaltung. Seine kastanienbraunen Augen glühen. Die plötzlich freigesetzte Energie ventiliert Laub mit Händen und Füßen in das Halbdunkel des Barbereichs: «Uns ging‘s nie um’s Geld», sprüht es aus Laub heraus, der beim zweiten Hinsehen irgendwie an den jungen George Clooney erinnert. «Wir wollten ein Markenerlebnis schaffen, mit dem wir uns komplett identifizieren. Ansonsten wäre unsere Geschichte absolut nicht authentisch.»
Unser Ziel war es, das perfekte Ambiente für Freunde zu schaffen. Sie sollen sich hier wohlfühlen, ihren Ideen freien Lauf lassen und Freundschaften schließen.
Überzeugungstäter bis in die Haarspitzen
Dass das Trio keinem fremdgesteuerten Marketingfahrplan folgt, ist offensichtlich. Schreit doch die Inneneinrichtung des Blind Barber geradezu nach einem nonkonformistischen Konzept.
Die weiß gekalkten, unebenen Backsteinwände hüllen die Frisierstube im Eingangsbereich in ein rohes, nahezu primitives Gewand. Dabei wirkt der höchstens 15 Quadratmeter große Barber-Shop keineswegs ungemütlich oder kalt sondern vielmehr robust, klar, irgendwie echt. Die Reminiszenz an den Herrenfriseur der Zwanzigerjahre ist gelungen. Der dahinterliegende Barbereich greift diese ungeschliffen, gemütliche Atmosphäre auf. Eckbänke mit geschmackvoll grünen Lederpolstern säumen den Randbereich der Lounge. Die dazugehörigen Beistelltische aus leeren Whisky-Fässern schaffen auch hier den Gegensatz aus stilvollem Ambiente und authentisch, männlicher Rohheit. «Unser Ziel war es, das perfekte Ambiente für Freunde zu schaffen», erläutert Adam Kirsch das Designkonzept. «Unsere Freunde sollen sich hier wohlfühlen, ihren Ideen freien Lauf lassen und Freundschaften schließen.» Und das tun sie – jeden Tag.
Drei Jahre nach Gründung sind die beiden Frisierstühle des Blind Barber täglich ausgebucht. Seit wenigen Monaten betreibt das Trio sogar eine zweite Lokalität in Los Angeles. Außerdem entwickeln die Jungunternehmer seit kurzem eine Pflegelinie für Männer. Eine Pomade und zwei Rasiercremes sind bereits verkaufsfertig.
Wenn ich meinen Traumjob hier nicht gefunden hätte würde ich Pizzas ausfahren. Das war der mit der Beste Job den ich je hatte, weil ich jeden Tag mit zig Leuten ins Gespräch kam.
Mit dem durschlagenden Erfolg von Blind Barber haben sich Jeff Laub und seine beiden Partner ihren Traum erfüllt. Und sind dabei gleichzeitig ihrem Alltag entronnen.
«Ich habe meinen Job in der Anwaltskanzlei gehasst», gibt Laub heute unverblümt zu. «Heute streite ich von Zeit zu Zeit mit meiner Freundin, weil ich ihrer Meinung nach zu viel Zeit mit unserem Blind Barber Projekt verbringe.» Woher dieser Sinneswandel? Zum einen, da sind sich Jeff Laub und Adam Kirsch sicher, ist die Tatsache, keinen Boss zu haben ein sehr befreiender Zustand. Zum anderen sind die vielen unterschiedlichen Leute, die sie täglich während ihrer Arbeit treffen die ultimative Triebfeder, neue Dinge auszuprobieren. So wie die Kooperation mit einem Kerzenhersteller, der kürzlich für einen Haarschnitt reinkam. Man kam ins Gespräch. Eine ausführliche Unterhaltung später einigt man sich auf eine Kooperation zur Herstellung von exklusiven Blind Barber Kerzen.
«Wenn ich meinen Traumjob hier nicht gefunden hätte, würde ich Pizzas ausfahren», postuliert Jeff Laub augenzwinkernd. «Das war mit der beste Job, den ich je hatte.» Warum? «Weil ich jeden Tag mit zig Leuten ins Gespräch kam.»