Garance Doré
Marke: horgenglarus Markenmacher: Markus Landolt
Marke: horgenglarus
Markenmacher: Markus Landolt
Seit 130 Jahren stellt die Möbelfabrik horgenglarus seriell Stühle in hoher Qualität her. Spezialität des Hauses ist das Biegen von Holz im Dampf. Es macht die Möbel stabil und schön, spart Material und ist ökologisch nachhaltig. Stühle von horgenglarus hat man ein Leben lang – und danach werden sie vererbt.
Sie bleiben jahrzehntelang im Programm, weil sie von namhaften Designern ohne modischen Schnickschnack entworfen wurden. So ist der Katalog von horgenglarus mit der Zeit zu einer Sammlung von Klassikern geworden.
Am Himmel hängt der Glärnisch. Der Hausberg von Glarus, dem Hauptort des Ostschweizer Kantons, türmt sich bedrohlich über der Schreinerei der Firma horgenglarus auf. Horgen ist weit weg, mit der Gemeinde am linken Zürichseeufer verbindet die kleine Möbelfabrik nur noch der Name. Dort wurde das Unternehmen 1880 in einer ehemaligen Textildruckerei gegründet, im Jahr 1902 kam der Produktionsstandort Glarus dazu, der heutige Geschäftssitz. Geblieben ist der einprägsame Name horgenglarus. Er stammt aus einer Zeit, als Ortschaften noch Pate standen für Unternehmen, auf die man stolz war. Zurich Financial Services ist so geboren, auch die inzwischen verblichene Maschinenfabrik Winterthur oder das Valser Wasser. Heute werden Brands auf komplexere Art kreiert, kein Startup würde sich mehr «Schlieren» taufen wie einst die Waggon- und Aufzugsfabrik in der Zürcher Agglomerationsgemeinde.
Geschätzt von Architekten wie Herzog & de Meuron
horgenglarus ist mit seinen 40 Mitarbeitenden nicht nur der grösste, sondern auch der einzige Industriebetrieb im Hauptort des «Zigerschlitz» – so nennt die Restschweiz mehr liebevoll als herablassend das enge voralpine Tal. Entsprechend stolz ist man im Schatten des Glärnisch auf Errungenschaften von Weltruf wie die Stühle von horgenglarus.
Wir verwenden Laubhölzer, die im rauen Klima des Juras gewachsen sind.
Mag sein, dass der Kult um die Produkte, die hier hergestellt werden, nicht von allen vestanden wird: Was macht einen Stuhl aus der Schreinerei beim Bahnhof schon so besonders, dass er von Stararchitekten wie Herzog & de Meuron in exklusiven Gebäuden bis nach Kalifornien eingesetzt wird?
Architekten sind halt gelegentlich etwas exzentrisch und lieben das Authentische. Denn nach allem, was man von den hier produzierten Möbeln so zu sehen glaubt, handelt es sich dabei ja um banale Holzstühle, wie sie auch im Restaurant «Kreuz» und im «Hirschen» stehen. Man sieht ihnen nicht einmal an, dass sie von Gestaltern wie Werner Max Moser, Max Ernst Haefeli, Max Bill, Hans Bellmann oder Robert und Trix Haussmann entworfen wurden. Markus Landolt, der den Betrieb vor zwölf Jahren gekauft hat und seither führt, öffnet die Tür zur Sägerei, wo ein Schreiner rohe Bretter in handliche Portionen schneidet. Ausgangsmaterial sind alle Laubhölzer von Ahorn bis Kirschbaum, mehrheitlich aber Buche, die horgenglarus bereits seit 90 Jahren aus dem jurassischen Vendlincourt bezieht. Die Bäume wachsen in diesem rauen Klima besonders langsam, was ihrem Holz nicht nur eine schöne Maserung verleiht, sondern sie auch dicht und damit strapazierfähig macht. Die zurechtgeschnittenen Holzlatten und Bretter werden im nächsten Arbeitsschritt in Dampftöpfe gelegt, wo sich ihre Feuchtigkeit von 20 auf 40 Prozent erhöht. Jetzt können sie in Schablonen eingespannt und gebogen werden. Nachdem die Rohlinge für Zargen, Beine und Lehnen getrocknet sind und ihre Feuchtigkeit noch acht Prozent beträgt, sind sie formstabil und bereit für eine Weiterbearbeitung. In der Möbelschreinerei werden die Elemente verzapft, verleimt und verschraubt, Lehnen und Sitzflächen montiert, Beine auf die passende Höhe gefräst, die Oberflächen geschliffen und danach geölt, geseift oder lackiert.
Unsere Stärke besteht darin, dass wir alles selber machen.
Markus Landolt legt Wert darauf, dass Leder, Stoffe und Jonc-Geflecht, mit denen die Stühle von horgenglarus ausgerüstet werden, von ebenso hoher Qualität sind wie das tragende Gestell. Max Gimmel aus Arbon kennt sozusagen jede Kuh, deren Leder er nach Glarus liefert. Die Bezugsstoffe stammen vom nobeln Textilunternehmen Christian Fischbacher in St. Gallen, und das Bambusgeflecht für Sitzflächen und Lehnen wird in der Flechterei Seestern in der Behindertenwerkstätte Männedorf von Hand geknüpft. Trotz serieller Produktion ist somit jeder Stuhl von horgenglarus ein handgefertigtes Unikat. Dass das Gute immer auch etwas teurer sein darf, versteht sich von selbst: Stühle aus Buchenholz von horgenglarus kosten je nach Modell und Ausführung zwischen 500 und 800 Franken das Stück. Damit ist das Unternehmen im Segment der Topqualitäts-Produkte durchaus konkurrenzfähig – sofern der Kunde auf Langlebigkeit, Service und Design wert legt. «Unsere Stärke besteht darin, dass wir alles selber machen», erklärt Markus Landolt. Dadurch ist er nicht abhängig von Lieferanten und deren Qualitätsschwankungen. Am wichtigsten ist ihm jedoch, das Knowhow im Betrieb zu halten. Nur so ist es möglich, Möbel auch nach Jahrzehnten originalgetreu restaurieren zu können wie die Sessel im Nationalratssaal des Bundeshauses in Bern. Hundert Jahre, nachdem horgenglarus das schweizerische Parlament ausgerüstet hatte, wurden die Möbel vom selben Hersteller aufgefrischt.
Knowhow ist das wichtigste Kapital
Neben einer Kundenliste, auf der von der Schweizer Botschaft in Washington D.C. über die Schweizerische Nationalbank bis zum Fünf-Sterne-Hotel Suvretta House in St.Moritz lauter klingende Namen aufgeführt sind, ist das Knowhow der Mitarbeitenden das wichtigste Kapital von horgenglarus.
Diesem Erbe trägt Landolt denn auch Sorge, seit er das Unternehmen 1999 übernommen hat. Seine Verbundenheit zur Firma reicht allerdings wesentlich weiter zurück: Der heutige Inhaber und CEO hatte seinerzeit seine kaufmännische Lehre bei horgenglarus absolviert, bevor er Jahrzehnte später als ausgebildeter Betriebsökonom und Treuhänder fast zufällig die Gelegenheit erhielt, den Betrieb zu übernehmen. Landolt zog junges Personal nach, das die Fähigkeiten und das Wissen der altgedienten, in vielen Fällen kurz vor der Pensionierung stehenden Mitarbeiter erlernen konnte. Dass der Maschinenpark mehrheitlich veraltet war, eröffnete die Möglichkeit von Investitionen in elektronisch gesteuerte CNC-Werkzeugmaschinen, ohne substanzielle Abschreibungen machen zu müssen. Heute beschäftigt horgenglarus eine junge Belegschaft, die stolz ist auf ihre Produkte. Eine ähnliche Verjüngungskur verordnete Landolt auch seinem Möbelprogramm: So entwickelte der Zürcher Designer Hannes Wettstein (1958-2008) eine komplett neue Produktelinie im Geist von horgenglarus. Und heute stehen zwei weitere Produktelinien vom Architekten Max Dudler und dem jungen Gestalter Moritz Schlatter kurz vor der Lancierung. «Es geht mir darum, die Kollektion zu schärfen», sagt Landolt. Der Adelstitel «horgenglarus» wird nicht so schnell vergeben.
Moser ist gegenwärtig gefragter als Bill.
Landolt schreitet durch seinen Showroom und unterzieht die Produkte wie so oft einer kritischen Begutachtung. Die Stühle von Max Bill beispielsweise sind gegenwärtig weniger gefragt als die älteren Modelle aus der Zwischenkriegszeit. Die Moden wechseln auch im Geschäft mit Klassikern, dessen ist sich Markus Landolt bewusst. Er aber nimmt’s gelassen: Bei horgenglarus dauert eine Saison eine Generation lang. Und selbst wenn ein längst nicht mehr produziertes Modell unerwarteterweise wieder nachgefragt werden sollte: Bei horgenglarus hängen noch immer die Originalmaquetten davon an den Wänden. Ein paar Wochen nur – und schon steht jedes noch so ausgefallene Modell in der Spedition. Ein Kontrollblick aus dem Bürofenster des CEO's bestätigt: Der Glärnisch wacht zuverlässig am Himmel über das Wohl der Firma – und wenn nicht alles täuscht, sitzt über dem ewigen Fels der Liebe Gott auf einem Thron von horgenglarus.