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Marke: Poliform Markenmacher: Giovanni Anzani
Marke: Poliform
Markenmacher: Giovanni Anzani
Es zählt zu den vielen Paradoxien Italiens, dass man in den unscheinbarsten Orten Unternehmen von Weltruf finden kann.
Das Städtchen Inverigo gehört dazu: Hier hat mit Poliform ein Möbelunternehmen seinen Sitz, das feinste Häuser in aller Welt ausstattet.
Manchmal kommt Giovanni Anzani in seiner Firma einfach nicht voran. Eigentlich, sagt der 66-Jährige mit einem Anflug von Humor, sei er schon fast in Rente. Doch auf seiner Visitenkarte steht Chief Executive Officer. Und was der Senior zu sagen hat, zählt im Familienbetrieb.
Das Gebäude im Herzen von Inverigo bei Como hält nicht nur Ausstellungsflächen für die edlen Möbel des Unternehmens bereit, sondern auch helle Besprechungsräume. Aus einem dieser Zimmer kommt zuerst Gaia Spinelli, die Tochter seines Cousins. Sie will den Senior über den Stand des neuen Showrooms in Berlin informieren. Kaum hat er das Gespräch beendet, eilt ein junger Mann auf ihn zu und wedelt mit einem Plan in der Hand: «Es geht um den Kostenentwurf für die Messe in Schanghai.»
Man wundert sich etwas, dass ein Mitarbeiter, der an einem solch wichtigen Projekt arbeitet, so leger daherkommt: Hemd, dicker Ohrring, wuschelige Haare. Der Patron liefert das perfekte Gegenbild: blauer Anzug, farblich perfekt abgestimmte Krawatte von Hermès, die Haare streng anliegend, elegant bis zu den Socken.
Der Betrieb wächst, die Geschäftsführung auch
Seit 1970 ist das Unternehmen Poliform in Familienhand. Von Anfang an hatten mehrere Familienmitglieder im Betrieb das Sagen: Die drei Cousins Giovanni Anzani, Alberto & Aldo Spinelli haben in den Anfangsjahren die kleine Werkstatt ihrer Eltern übernommen und das Unternehmen zu einer weltweit repräsentierten Marke aufgebaut.
Inzwischen arbeiten 600 Personen für Poliform. Nicht immer lief das Geschäft optimal und die Krise der vergangenen Jahre verknappte den Konsum. 2015 hat Poliform jedoch ein Wachstum von sagenhaften 20 Prozent erreicht. Bald steht erneut ein Generationenwechsel an. Wenn die alten Chefs den Stab weitergeben, werden aus drei Familien-führungskräften acht. Sie arbeiten alle bereits im Betrieb in Inverigo.
Die kleine Ortschaft liegt knapp zwanzig Kilometer von Como entfernt und damit mitten im Gebirge, in einem Gebiet, das die Italiener Brianza nennen. Von der Ortsmitte aus sieht man Berge jedoch nur in der Ferne. Sie leuchten weiss – der Schnee. In der näheren Umgebung schmiegen sich die quadratischen Häuser an sanfte Hügel, reihen sich Zypressen über saftigem Gras, wähnt man sich beinahe in der Toskana.
Dolce Vita? Das ist anderswo
Brianza ist ein besonderes Gebiet. Hier konzentrieren sich einige weltweit erfolgreich produzierende Betriebe. Das hat seinen Grund: Die Menschen hier sind nicht für den Müssiggang zu begeistern; hier herrscht Machermentalität. Diese hat Poliform zum grössten Arbeitgeber im Ort werden lassen. Und sie hat auch die beiden Familien hinter dem Unternehmen geprägt.
Schließlich hat Giovanni Anzani alle Gespräche mit den Mitarbeitern erledigt und setzt sich inmitten seines Ausstellungsraums auf einen Sessel, um Auskunft zu geben. Der riesige Raum ist durch raffinierte Trennelemente in einzelne Zimmer aufgebrochen, Glasscheiben und riesige, vertikal aufgehängte Flächen trennen Einheiten ab. Grosse Namen haben diesen Showroom besucht: Philippe Starck etwa oder die Architekten Daniel Libeskind und die unlängst verstorbene Zaha Hadid. Diese Verbindung ist Poliform wichtig. Die berühmtesten Designer seien sehr umgänglich, sagt Giovanni Anzani, sehr bescheiden seien sie, ohne Allüren.
Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen als den, den ich habe.
Bescheidenheit in der DNA
Angeberei findet man auch bei Anzani nicht. Das mag seinen Grund darin haben, dass die drei Cousins damals, als sie das Unternehmen übernahmen, zusammen keine siebzig Jahre zählten. Bescheidenheit liegt sozusagen in der DNA des Unternehmens. Inzwischen baut Poliform hochgradig personalisierte Möbel: Die Kunden können aus 700 Stoffen und 24 Farben wählen. Poliform verkauft Möbel sowohl an Endkunden wie auch an Architekten, die ganze Wohntürme ausstatten. Seit das Unternehmen die Firma Varenna dazugekauft hat, sind auch hochwertige Küchen im Angebot.
«Ich kann mir keinen anderen Beruf vorstellen als den, den ich habe», sagt Anzani heute. Schon als Kind habe er davon geträumt – auch weil er oft im Betrieb der Eltern ihre Arbeit bestaunte. So erzog er auch seine erstgeborene Tochter Laura.
Anders erging es seiner zweiten Tochter Marta, die heute 33 Jahre alt ist. Nachdem sie ihr Marketingstudium an der renommierten Mailänder Wirtschaftsuniversität Bocconi 2007 beendet hatte, faszinierte sie die Mode und weniger der Möbelbereich, doch irgendwie hat Poliform sie doch gereizt. Sie begann mit einem Praktikum. «Es war ein langer Weg», sagt sie, «aber ich habe mich in das Unternehmen verliebt.» Heute arbeitet sie als Corporate Manager.
Heimatverbunden bis zum Wasserglas
Poliform bemüht sich, immer innovativ zu bleiben. So haben die drei Cousins schon früh einen turnusgemässen Wechsel der Geschäfts-führung festgelegt. Dann ersann Poliform eine spezielle Art, breit auf dem Markt vertreten zu sein: «Wir haben in den neunziger Jahren das Prinzip des Shop-in-Shop in unserer Branche eingeführt», sagt Marta Anzani. «Es war eine unglaubliche Herausforderung, Verkaufsräume aufzumachen, die nicht von Poliform verwaltet werden und nur unsere Möbel im Angebot haben. Aber wir haben sie erfolgreich gemeistert.» «Da waren wir Trendsetter», sagt Marta. Heute schmückt sich das Unternehmen mit bedeutenden Projekten, etwa dem AOL Time Warner Center in New York oder dem Palmolive Building in Chicago. Nur vor dem Mineralwasser macht die Innovation Halt. «Unser vorheriges Mineralwasser ist von einem französischen Unternehmen aufgekauft worden», erklärt der Senior: «Jetzt haben wir die Marke gewechselt. Dies hier ist das einzige Mineralwasser, das noch italienisch ist.» Poliform soll eben eine italienische Marke sein – durch und durch.