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Marke: Campomaggi Markenmacher: Marco Campomaggi
Marke: Campomaggi
Markenmacher: Marco Campomaggi
Nur knapp 50 Kilometer vom Meer und Rimini entfernt liegt das kleine Städtchen San Carlo di Cesena, wo die Taschenmarke Campomaggi 1980 von Marco Campomaggi selbst gegründet wurde.
Als Sohn eines Bildhauers war der Designer seit jeher an allem interessiert, was sich mit den eigenen Händen kreieren liess. Glücklich, wer mit Talent gesegnet: Seine ersten Ledertaschen nähte Marco Campomaggi aus altem Sattelleder, verzierte sie mit Metallnieten und verkaufte sie auf dem Pausenhof oder nach der Schule auf den Gehsteigen seiner Stadt. Zu seiner eigenen Verwunderung stimmten Nachfrage und Angebot schon damals überein, und sogar sein Architekturstudium liess sich auf diese Weise finanzieren.
Wenn Marco Campomaggi über seine Arbeit erzählt, entführt er mit seinen Worten in eine Märchenwelt.
Er schwärmt vom Geruch von frischem Leder, vom Streunen auf Flohmärkten, vom Suchen und Finden kleiner Schätze an Orten, wo man sie nicht erwartet hätte. Gedankenversunken zupft er am Kuhfell, das den Sessel ziert, auf dem er sitzt, den Blick durch die Fensterfront nach draussen in die Ferne gerichtet. Bei all den philosophischen Gedanken, die der Italiener anscheinend unüberlegt von sich gibt, vermutet man fast einen Teleprompter irgendwo am blauen Himmel. Marco Campomaggi hat eine ruhige, tiefe Stimme, von der man sich wünscht, sie möge doch bitte jeden Morgen aus dem Off erklingen und dem Neonlicht des Badezimmerspiegels seine Weisheiten über das Wesen der Zeit entgegenhalten.
Neben den schönen Falten, die ein Gesicht erst zeichnen, offenbaren auch andere Dinge ihre Schönheit erst mit der Zeit. Je älter man wird, umso reicher ist unser Schatz an Geschichten und Erinnerungen, an Anekdoten, Ideen und Gedanken. Sie machen uns erst wirklich schön - schön im eigentlichen Sinne des Wortes.
Die Faszination des Alten
Campomaggi-Produkte verkörpern genau diese Idee: Die Zeit nimmt ihnen nichts weg, sondern bedeutet einen Mehrwert. Deshalb lautet der aktuelle Slogan der Marke auch «Il tempo non toglie, ma dà». Produkte zu schaffen, die zeitlos sind, ist das, was Marco Campomaggi mit seiner Arbeit verfolgt.
Mich inspiriert das Gebrauchte; Objekte, denen man ansieht, dass sie etwas zu erzählen haben.
Oft kauft Marco Campomaggi in Trödelläden oder auf Flohmärkten alte Arbeitertaschen und studiert diese. Was sind die funktionalen Aspekte einer solchen Tasche? Was daran ist Schnickschnack? «Heutzutage werden so viele Dinge gemacht, die keinen tieferen Sinn haben», bemerkt er.
Entsprechend gering ist deshalb auch sein Interesse an der Konkurrenz und an aktuellen Modetrends. Seine Recherche besteht einzig darin, im Alltag die Augen offen zu halten. Beim Frühstückskaffee beobachtet er Leute mit gutem Stil und überlegt sich, mit was für einer Tasche jemand noch besser aussehen könnte. Solch kleine Augenblicke reichen ihm als Inspiration.
Ich mache ja nichts Weltbewegendes. Ich mache einfach nur Taschen.
Dass viele berühmte Designer sich so verhalten, als würden sie mit ihrem Design Leben retten, versteht er nicht. Er sieht die Sache eher pragmatisch: «Taschen sind dazu da, Objekte von einem Ort zum anderen zu transportieren. Wenn ich zur Optik dieses Mittels etwas Positives beitragen kann und jemandem damit Freude bereite, umso besser».
Gegner des Modediktats
Marco Campomaggi selbst achtet nicht auf Marken. Er hält für sich selbst vor allem Ausschau nach anonymen Sachen wie Militär- oder Arbeiterkleidung. Seine eigenen Produkte sollen auch nicht gekauft werden, weil es die Mode so vorschreibt. Viel eher sollen sie die Fähigkeit des einzelnen unterstreichen, selbst bestimmen zu können.
Ich habe mich für das richtige Produkt entschieden, wenn ich beim Tragen das Gefühl habe, etwas Gutes aus einer Masse an unzähligen Möglichkeiten herausgefischt zu haben.
Die Modewelt birgt für MarcoCampomaggi die Gefahr, dass sie den Leuten die Fähigkeit aberkannt, zu entscheiden, was gut für jeden einzelnen ist.
«Sie wählen nicht das, was ihnen am besten gefällt, sondern denken schon beim Kauf daran, womit sie andere wohl am meisten schätzen würden. Das erzeugt ein Ungleichgewicht im eigenen Geschmackssinn. Das finde ich eine beunruhigende Tendenz.» Bei Campomaggi nimmt man sich deshalb die Freiheit, sich nicht jedem Modetrend zu beugen. Dafür muss die Qualität immer stimmen. «Unsere Kunden erwarten Substanz und Natürlichkeit», weiss Marco Campomaggi. Der kleine Betrieb benutzt für die Produktion seiner Taschen noch immer dasselbe Leder wie früher, als Marco Campomaggi anfing.
Zusammen mit seiner Frau entwickelte er im Laufe der Zeit eine Waschung des Leders, das zu einer speziellen Färbung führt. Für die Be- und Verarbeitung werden anschliessend nur pflanzliche Fette und Öle verwendet. Die Taschenmodelle aus den verschiedenen Jahren unterscheiden sich tatsächlich nur wenig. Sie sind schlicht, natürlich, meist braun, olivgrün oder schwarz und sind sich sowohl in Form wie Grösse recht ähnlich.
Qualität definiert sich für mich über vier Dinge: Material, Idee, Umsetzung, Zweck.
Als Designer achtet Marco Campomaggi am meisten auf die Verarbeitung und das Material bei einem Produkt. Er ist jedoch überzeugt, dass das Qualitätsverständnis eines Menschen immer davon abhängig ist, wie man sein Leben bisher gelebt hat. Je nach persönlichen Umständen erwartet man mehr von dem ein oder anderen Teilaspekt.
Die Art und Weise wie ich anfing, Taschen herzustellen, hat etwas von einem Hippie. Ich war unbeschwert und enthusiastisch.
Während seine Altersgenossen sich überlegten, was sie mit ihrem Leben anfangen wollten, beschäftigte er sich mit seinen Taschen, ohne zu bemerken, dass er damit die Frage für sich schon beantwortet hatte. Und dieser Weg hat auch den der Marke geprägt: Die Leidenschaft für das Alte, das Streben nach Zeitlosigkeit und Natürlichkeit spiegeln den Charakter des Markenmachers in seinen Produkten wieder.