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Marke: Griesbach Markenmacher: Katka und Zuzka Griesbach
Marke: Griesbach
Markenmacher: Katka und Zuzka Griesbach
In ihrem Atelier in der Winterthurer Altstadt entwerfen und verkaufen die Schwestern Katka und Zuzka Griesbach ihre Taschen und Accessoires. Handgefertigt werden die Lederwaren in einer kleinen Manufaktur in der italienischen Schweiz.
Die Glocken auf dem Kirchplatz in Winterthur schlagen neun Uhr, als Katka Griesbach beschwingten Schrittes durch ihren Laden läuft, sich ein paar Krümel vom Mund wischt und schon von ganz hinten dem Fenster in der Tür entgegenlächelt.
Sie trägt eine helle Jeans, weisse Turnschuhe und ein Denim-Shirt. Ihre gelockten blonden Haare wippen im Takt ihres munteren Gangs auf und ab und versprühen eine gewisse Fröhlichkeit. Sie ist – wenn überhaupt – nur wenig geschminkt, ihre blauen Augen schauen wach und herzlich durch eine grosse Brille. Sie führt zurück durch den langen Laden ins Atelier in einem hinteren Abschnitt des Gebäudes, in welchem sie und ihre Schwester täglich sitzen und arbeiten. Zwei einander zugewandte Arbeitsplätze, viele Holzbalken, Ledermuster, Entwürfe, viel Weiss und Sauberkeit und Tassen mit dampfendem Tee prägen das Bild. «Wir hatten Glück, dass wir hier einen Laden bekommen haben», beginnt Zuzka sofort zu erzählen, während sie sich noch einen Kaffee zubereitet. Die ältere der beiden Schwestern trägt eine weite Hose, hellbraune Lederschuhe ohne Schnürsenkel und einen dunklen, feinen Wollpullover. Ein schmales Kettchen aus Gold liegt um ihren Hals, das einzige Accessoire. Sie ist ungeschminkt und trägt die langen Haare offen. Als sie sich umdreht, um weiter zu erzählen, sieht man, dass das Rahmengestell ihrer Brille die exakt selbe Farbe wie ihre Augen hat, die aus einem sanften, ruhigen Gesicht blicken. «Vor Griesbach war Tuchinform in diesem Gebäude, ein Förderverein, der über 100 Labels auf Konsignation verkaufte», erzählt sie. «Über eines davon erfuhren wir von diesem frei werdenden Laden.» Sie bewarben sich und bekamen die Zusage der Genossenschaft. Katka kommt mit einem Teller und einem Croissant zurück an den Schreibtisch. Vielleicht aus einer Gewohnheit, die einen grundsätzlichen Mangel an Zeit vermuten lässt, hat sie sich das Croissant auf der gesamten unteren Fläche mit Butter und Konfitüre bestrichen. Sie meint: «Mit einem Laden beginnst du komplett von vorne. Das sind andere Kunden als die, die wir bisher hatten. Laufkundschaft, und so weiter.» Um ihren Hals baumeln diverse Ketten, am Handgelenk ebenfalls. Eins blitzt immer wieder hervor, I love Ibiza steht darauf und macht neugierig.
Das Feedback, das man durch einen Laden bekommt, ist direkt und konkret: Es lehrt uns viel.
Seit dem Frühjahr 2013 sind die beiden Schwestern mit ihrem Laden in Winterthur vertreten.
Das Geschäft liegt direkt am kopfsteinbepflasterten Kirchplatz. Direkt davor ein paar Fahrräder, Holzbänke, niedrige Altbauten. Der Ort hat etwas Idyllisches, fast Dörfliches. Früher befand sich ihr Atelier auf einem Fabrikgelände in einem industrieller anmutenden Teil Winterthurs, in der so genannten Grüze. Dafür, wie oft bei Griesbach Marke und Standort in einem Atemzug genannt werden, empfinden Katka und Zuzka beide ihre Stadt als überraschend wenig entscheidend für ihr Schaffen. «Natürlich haben wir beide unseren Bezug zu Winterthur, wir sind hier daheim, es gefällt uns und wir leben inzwischen auch beide hier», sagt Zuzka. «Heimat ist das hier aber definitiv nicht.» Und Katka meint: «Ich bin überall zuhause. Und eine Heimat habe ich irgendwie nicht. Vielleicht ist das so, wenn man als Kind entwurzelt wurde», philosophiert sie.
Zuzka war neun und Katka sieben Jahre alt, als sie zusammen mit ihren Eltern aus der damals noch kommunistischen Tschechoslowakei Richtung Westen flohen, wo sie sich zuerst in Frauenfeld und später in Aadorf niederliessen, was auch die Färbung des ganz eigenen Akzents der beiden Schwestern erklärt. Katka besuchte nach der Schule und ihrem kaufmännischen Abschluss in der Folge verschiedene Lehrgänge am Lederinstitut Gerberschule in Reutlingen, lernte die Lederverarbeitung und arbeitete in diversen Lederwerkstätten. Zuzka bildete sich im Bereich Objektdesign weiter und besuchte unter anderem am Lehrinstitut Metallo Nobile in Florenz Studiengänge im Bereich Design und absolvierte ebenda ein Praktikum im Studio Blam. Im einem fremden Land eine neue Existenz aufzubauen kostete die Eltern viel Zeit. «Sie konnten sich nicht ständig um uns kümmern. Das hat uns relativ früh selbständig gemacht und auch zusammengeschweisst», erzählt Zuzka. «Alles haben, aber nichts dürfen. Alles dürfen, aber nichts haben. Wir kennen beide Seiten und können damit umgehen.» Die beiden Schwestern haben noch zwei weitere Geschwister – eine Schwester und einen Bruder – die 15 Jahre jünger, aber genau so kreativ tätig sind. So fertigte der Bruder das Griesbach-Logo für den Shop und will im Industrie-Design Fuss fassen, während Schwester Anna seit ihrer Ausbildung an der HKB Bern in ihrem eigenen Verlag «Edition Happy Birthday» im Verlagswesen tätig ist.
«Für dich bedeutet die Slowakei schon eher Heimat», sagt Katka, nun ganz ihrer Schwester zugewandt, nach deren Hand sie beim Reden greift. Und diese antwortet prompt: «Das Familienleben, wie es in der Slowakei gelebt wird, das Essen, die Sprache, das ist für mich Heimat, das stimmt.» Katka lächelt. «Ich fühle mich dort eher wie ein Tourist. Es ist schön, aber nicht Heimat.»
Alles haben, aber nichts dürfen. Alles dürfen, aber nichts haben. Wir kennen beide Seiten und können damit umgehen.
In ihren Anfangszeiten nähte Katka jedes ihrer Modelle selbst.
Heute werden die Taschen nach ihren Entwürfen in einer kleinen Manufaktur im Tessin gefertigt. «Wir mussten uns irgendwann entscheiden, ob wir ein Produktionsbetrieb oder ein Label sein wollen», erläutert Zuzka diesen Schritt.
Die Produktion im eigenen Land ist nicht günstig, aber verspricht einen hohen Qualitätsstandard. Die Gesellschaft zur Promotion von Schweizer Produkten und Dienstleistungen SWISS LABEL nahm die Marke Griesbach darum auch bei sich auf. So dürfen Griesbach Produkte mit dem SWISS LABEL beworben werden. Laut Zuzka würde dies zu mehr Glaubwürdigkeit bei den Konsumenten führen: «Es unterstreicht unseren Willen, fair und nachhaltig zu produzieren.» Bestand nie die Idee, die Produktion in die Slowakei zu verlagern? «Wir würden gern auch dort produzieren lassen, aber es ist sehr zeitaufwändig und im Moment für uns gar nicht umsetzbar. Aber es wäre sicherlich schön, dem Land etwas zurückgeben zu können», sagt sie. Für die slowakischen Konsumenten sei Griesbach hingegen nicht interessant im Moment, räumt Katka ein. «Understatement, Nachhaltigkeit, kein bekannter Markenname und trotzdem ein hoher Preis, das funktioniert dort nicht.»
Während des Gesprächs blicken die Schwestern immer wieder nach vorne in den Laden, damit auch ja keine Kundin einen vermeintlich leeren Laden betritt. Zuzka erklärt: «Die Leute hatten so lange nichts, wenn sie jetzt etwas haben, dann möchten sie es auch zeigen. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit kommt in der Entwicklung einer Gesellschaft immer erst dann wenn das mit den Markennamen und dem Reichtum zeigen schon durch ist.» Jetzt betritt tatsächlich eine Kundin den Laden. «Ich mach», sagt Katka und springt auf.
Ohne einander hätten wir bestimmt schon einige Male aufgegeben.
Für ihre Produkte verwenden die Schwestern nur echtes und hochwertiges Leder in allen Variationen, das sie ausschliesslich von zertifizierten Gerbereien beziehen.
Meist sei es das grossflächige Kuhleder, sagt Zuzka: «Aus ästhetischen Gründen möchten wir ein Leder nicht zu oft zerschneiden, was die Tasche natürlich teurer macht, weil wir so mehr Überschuss produzieren.» Oft würden die Leute den Preis einer nachhaltig hergestellten Tasche nicht wirklich verstehen. «Die jungen Leute schon, die sind mit dem Thema vertraut, aber ihnen fehlt noch das Budget. Ältere Kundinnen müssen oft erst aufgeklärt werden, wie sich der Preis zusammensetzt, bevor sie verstehen, wofür sie ihr Geld ausgeben», sagt Zuzka. Um eine Tasche erleichtert, kommt Katka zurück in den Hinterraum. Ein weiterer Grund für den Preis der Taschen liege darin, dass diese bis anhin nie seriell produziert worden seien. «Selbst unsere Verkaufsschlager ändern sich von Saison zu Saison, weil das Leder nie dasselbe ist, und es gibt immer nur wenige Stücke von einem bestimmten Modell», erklärt Zuzka.
«Das Tempo der Modeindustrie geht uns eigentlich zu schnell voran. Und unseren Kundinnen auch.» Katka fährt fort: «Manchen Leuten gefällt es, sich langsam in eine Tasche zu verlieben. Sie immer wieder im Schaufenster bei uns anzuschauen und auf dem Heimweg darüber nachzudenken, ob man sie sich gönnen soll oder nicht. Aber es kommt oft vor, dass bis zum Kaufentscheid das Objekt der Begierde dann schon weg und auch nicht mehr erhältlich ist.» Zuzka meint: «Es fehlt eigentlich immer ein wenig an Zeit, man ist immer an etwas dran. Die Selbständigkeit ist schon streng, aber es ist gut, dass wir zu zweit sind, so ist man nicht nur für sich selbst verantwortlich.» Und Katka stimmt nickend zu: «Ohne einander hätten wir bestimmt schon einige Male aufgegeben.»