Saskia Diez
Marke: Totem Markenmacher: Fred d’Orey
Marke: Totem
Markenmacher: Fred d’Orey
Kaum eine Modemarke verkörpert das unbeschwerte Lebensgefühl von Ipanema so bruchlos wie Totem Praia aus Rio de Janeiro.
Gegründet wurde das brasilianische Label 1994 von Fred D’Orey, Globetrotter, Journalist, Radiomacher und Brasiliens Surfchampion von 1987. Farbenfrohe Drucke bilden das unverwechselbare, stilbildende Merkmal seiner Kleider, Shirts und Tops. Hautschmeichelnde, federleichte Stoffe und entsprechende Schnitte sorgen für perfekte Tragbarkeit. «Bei Mode geht es immer nur um Affirmation oder um Identität. Unsere DNA sind die Prints.»
Noch heute ist der Strand das zweite Wohnzimmer des Unternehmers. So oft es ihm möglich ist, verbringt er seine Zeit im und auf dem Wasser. Dann schnappt sich der grauhaarige Hüne eines seiner Bretter, überquert die Straße zum Strand und paddelt bäuchlings hinaus durch die Brandung.
Das Meer ist Kraftquelle und Inspiration für mich. Ohne das Surfen hätte ich meine Mode nie so machen können, wie sie ist.
Später, ein paar Autominuten entfernt, entert Fred D’Orey sein Büro im ersten Stock eines unscheinbaren Hauses in Rios Stadtteil Botafago. Hier ist die Zentrale seiner Firma. Schöne, junge Frauen mit sonnengebräunter Haut und leichten Kleidern warten schon auf ihn, den Boss von Totem, der inzwischen knapp 200 Mitarbeiter in Rio de Janeiro und auf Bali beschäftigt, wo sich seine wichtigste Produktionsstätte befindet.
Eigentlich fing alles nur an, damit ich genügend Geld in der Tasche haben konnte für den Sport – und das damit verbundene Reisen.
Indonesien sei immer sein Traumziel gewesen – hin zu Wellen, die es so nirgend woanders gibt.
Für ihn kann die brechende Welle zum Ideal von Vollkommenheit werden, im Wissen, dass man diese niemals festhalten und besitzen kann. Wohl auch deswegen macht sich Fred D’Orey auch heute noch nicht viel aus Businessplänen und Excel-Tabellen. Freiheit sei ihm wichtiger als den ganzen Tag an die Firma zu denken und dem Geld hinterher zu jagen. Die Idee mit dem Textildruck kam ihm auf Bali, wo er zum Surfen war. «Ich liebte schon immer kräftige, kontrastreiche Farben in starken Mustern», erzählt er.
Von einheimischen Handwerkern schaute er sich eine besondere Kunst des Stoffdrucks ab und produzierte auf diese Weise einige Muster-Shorts. Der Inhaber einer brasilianischen Boutiquenkette war so begeistert davon, dass Fred D’Orey unerwartet eine Bestellung über zehntausend Hosen in Händen hielt, ohne die leiseste Ahnung, ob er diesen Auftrag jemals würde erfüllen können. Er flog wieder nach Bali, organisierte irgendwie die Produktion der bestellten Shorts, und von Ordertermin zu Ordertermin stiegen die Stückzahlen. 1994 gründete er in Ipanema den ersten eigenen Laden und bot dort unter dem Label Totem eine Beachwear-Kollektion für Männer an.
Mit dem Erfolg der Marke entstand schnell auch eine Kollektion für Frauen, die bis heute sein Geschäft dominiert.
Brasilien ist ein tropisches Land. Hier ist es heiss, hier scheint viel Sonne. Es macht keinen Sinn, wenn wir uns bei der Mode am dunklen, gedeckten Stil der Europäer orientieren. Wir sind näher dran an Afrika als an Mailand.
Das Wissen um die eigenen kulturellen Schätze seines Landes beflügelt Fred immer wieder.
«Wir müssen in uns hineinschauen, sehen, dass wir als Einwandererland die unterschiedlichsten Wurzeln haben. Das ist eine Besonderheit, auf die Brasilien stolz sein kann.» 1998 begann Fred D’Orey damit, seine Kollektionen auf der Rio Fashion Show zu zeigen. Seither zählt er zu den stilbildenden Designern des Landes mit elf eigenen Geschäften. Alle kreativen Prozesse werden unmittelbar von ihm bestimmt, auch die Fotoshootings. Regelmäßig tauchen in den Aufnahmen für Werbung, Katalog und Website Anspielungen aus der Welt der Rockmusik auf. «Musik und Kultur haben schon immer mein Handeln bestimmt.» 1962 geboren, erlebte er in seiner Kindheit und Jugend den Einzug der Rockkultur in Brasilien und deren Vermischung mit dem Bossa Nova. Sein Podcast auf der Totem-Site ist Kult.
Seit fünf Jahren initiiert er auch ein viel beachtetes Musikfilmfestival in Rio. Durch seine Prominenz und seine Glaubwürdigkeit steht Fred zudem an der Spitze der aktuellen Antikorruptionsbewegung im Bundesstaat Rio.
Das Meer schenkt ihm seinen inneren Frieden
Fred sieht sich als politischen Menschen.
Von der Schickimicki-Szene in Rio de Janeiro hält er sich bewusst fern. Als Sohn eines brasilianischen Formel-Eins-Piloten und einer schwedischen Mutter, die als Innenarchitektin Diplomatenhäuser einrichtete, holte er sich schon in frühen Jahren sein Selbstbewusstsein durch das Surfen. Mit dieser Szene ist er noch heute verwachsen. John Seaton Callahan, der als Indiana Jones der Surf-Fotografen gilt, zählt zu seinen besten Freunden. Mit ihm und anderen Kumpels zieht Fred immer wieder zu den besten Surf-Spots der Welt. «Meine Aufgabe besteht darin, nein zu sagen», erklärt Fred. Nein zu Entwürfen, die seiner Meinung nach den Stil seiner Mode verwässern, nein zur Vereinnahmung durch andere, um die Art von Frieden finden zu können, wie sie ihm das Meer schenkt. Wo Frauen ihre nackten Füße über das ganze Jahr eher notdürftig mit Flip Flops und Sandalen straßenfähig machen, soll und muß ein Kleid wirken, wie schnell mal aus der Strandtasche befördert und über die feuchte, noch vom Salz des Atlantiks glitzernde Haut gezogen. Seine wichtigste Mitarbeiterin ist die Design-Direktorin Yamê Reis. Sie hat die Aufgabe, den Totem-Stil weiterzuentwickeln.
Als Mutter der Weltklasse-Surferin Maya Gabeira hat sie viel Gespür für die modischen Bedürfnisse der jungen Generation, gleichzeitig experimentiert sie mit für Totem ungewöhnlichen Materialien wie Seide oder gewebten Stoffen. «Wir wollen in Zukunft nicht nur das Strandfeeling abbilden, sondern auch den temporeichen, urbanen Lebensstil des neuen Brasilien repräsentieren», sagt Fred.
Eine Erfolgsformel kann irgendwann auch zu einer Falle werden, wenn man sich nicht weiterentwickelt. Wir haben eine herausragende Stellung durch unsere Prints, werden aber immer öfter kopiert. Deshalb müssen wir Nachahmern stets einen Schritt voraus sein.
«Absorbieren und Übersetzen heisst die Devise», sagt Fred D’Orey. «Es wäre das Ende der Firma, wenn meine Neugier stecken bleiben würde.»