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Marke: Zimmerli Markenmacher: Marcel Hossli
Marke: Zimmerli
Markenmacher: Marcel Hossli
Gegründet wurde das namhafte Wäsche-Unternehmen 1871 von Pauline Zimmerli.
Sie war es auch, die erste Waren nach Paris exportierte und fortan mit Preisen für die qualitativ hochstehenden Produkte ausgezeichnet wurde. Heute führt der Luzerner Marcel Hossli das operative Geschäft des Feinwäscheherstellers, das 2007 an die auf Manufakturen spezialisierte v. Nordeck-Gruppe veräussert wurde.
Marcel Hossli kennt und unterscheidet zwei Arten von Luxus.
Den einen mag er, den anderen nicht. Bevor er bei Zimmerli die Geschäftsführung übernahm, war er in der Uhrenbranche tätig, wo es «vielen nur darum ging, ein schickes Visitenkärtchen auf den Tisch legen zu können». Aber Marcel Hossli mag keine Überheblichkeit, weder bei Personen, noch bei Marken. Patek Philippe, sein ehemaliger Arbeitgeber, sei da anders. «Etwas distanziert vielleicht, aber niemals arrogant.»
Der dekadente Luxus mit seinen überteuerten Produkten und überrissenen Preisen sagt Marcel Hossli gar nicht zu: «Statt Luxus nach aussen zu tragen, sollte man ihn viel eher im Stillen schätzen. Der Wohlstand in unserem Land ist ein Privileg, wir haben viele Möglichkeiten, unser Geld auszugeben. Man sollte meiner Meinung nach am besten in Qualität investieren.» Seine persönliche Einstellung ist deckungsgleich mit der Luxus-Konnotation, die auch die Produkte von Zimmerli auslösen sollen.
Unser Luxus soll der eines exzellenten Tragegefühls sein sowie die Tatsache, dass man sich jeden Tag eine sehr gute Qualität gönnt.
Doch es ist nicht nur diese Einstellung, die das Tragen eines Unterhemds für 90 Franken rechtfertigt, wie Marcel Hossli gleich selbst zeigen möchte. Mit seinem Auto fährt er uns vom Bahnhof Mendrisio im Tessin – nach nonchalantem zur-Seite-Rückens des Kindersitzes auf der Rückbank – zum Zuschnitt.
Dort angekommen, ruft er ein freundliches «Buongiorno, Signora!» in jedes der hell beleuchteten Zimmer des unscheinbaren Gebäudes und stellt die Mitarbeiterinnen vor.
Von der Baumwollfaser zum Feinripp-Shirt
Es sind augenscheinlich gewohnte Handgriffe, die Zuschneiderin Marisa schnell und präzise ausführt.
Sie rollt meterlange Stoffbahnen aus und legt diese sorgfältig aufeinander, 30 Lagen insgesamt, die sie dann glättet und bügelt, bis jede Falte ausgemerzt ist. Ihr Gesichtsausdruck ist konzentriert und entspannt zugleich. Die rote Brille trägt sie im Haar, sicher arbeitet sie sich den geplotteten Vorlagen entlang durch den Stoff. Diese hat Schnitttechnikerin Raquel davor akribisch vorbereitet und das Schnittlagenbild von Hand ausgelegt. «Der Stoff ist kaum recyclebar und birgt einen hohen Kostenanteil. Umso wichtiger also, dass kein Zentimeter unnötig verloren geht», erklärt sie pflichtbewusst. Marisa glättet derweil die vielen einzelnen Vorlagen auf, damit sie nicht verrutschen und schneidet sie dann mit einem Stehmesser aus.
Sie lehnt dabei mit dem ganzen Körper auf den 25 Meter langen Tisch am ebenso langen Fenster. Nur wenige Meter entfernt steht ihre Schwägerin an einer Maschine mit rasiermesserscharfen Klingen. Ombretta ist dafür zuständig, die Stoffe millimetergenau zurechtzuschneiden und später alle zu einem Teil gehörenden Elemente zusammenzupacken. Damit sie sich nicht verletzt, trägt sie einen Kettenhandschuh.
Im Raum sind nur das Brummen der hellen Leuchtröhren und das Geräusch der schneidenden Messer und Scheren zu hören. Eine der Frauen summt, doch es ist nicht auszumachen welche. Material für 1’200 fertige Produkte wird hier pro Tag verarbeitet, die vier anwesenden Damen bewältigen damit den kompletten Zuschnitt für 350'000 fertige Teile, die Zimmerli in einem Jahr herstellt.
Wir produzieren in der Schweiz und haben entsprechend hohe Lohnkosten. Die Produktivität ist deshalb enorm wichtig. Alles ist immer eine Gratwanderung zwischen Topqualität und Schnelligkeit.
Die Stoffe werden als Rollen oder aber als bereits rundgestrickte Schläuche in verschiedenen Grössen angeliefert, für Produkte ganz ohne Seitennähte.
Für die Verarbeitung werden nur die langen, dünnen Fasern der besten Baumwollqualität verwendet, der sogenannte «Extra-Long-Staple». Das Garn wird extra für Zimmerli gesponnen, der Stoff exakt nach ihren Angaben gestrickt. Baumwollstoffe gelten als sehr hautfreundlich und weisen ein äusserst geringes Allergiepotential auf, was sie für die Textilindustrie interessant macht. «Wir arbeiten mit dem Stoff, der die Haut direkt berührt, da will man auf keinen Fall zweifelhafte Chemie», erklärt Marcel Hossli, während er gut gelaunt Stoffballen aufrollt und Feinrippstoffe auseinanderzieht, um deren Elastizität aufzuzeigen. Auch bei der Veredelung der Stoffe – weich machen, baden, färben – wird darauf geachtet, dass alles möglichst natürlich bleibt.
Um sicherzustellen, dass an einem fertigen Teil die Farben aller Einzelteile identisch sind, wird für ein Kleidungsstück immer mit Stoff von ein und demselben Ballen gearbeitet. Nur so ist eine einheitliche Farbe und Qualität garantiert. Dies bedingt, dass alle vier Arbeiterinnen, die im Zuschnitt arbeiten, im selben Tempo arbeiten und sich aufeinander abstimmen müssen. Neben Raquel, Marisa und Ombretta sitzt noch eine vierte Dame in einem kleinen Nebenraum und näht aus Stoff vom selben Ballen die Bündchen für die jeweiligen Produkte, damit schliesslich alle Elemente eines fertigen Kleidungsstücks aneinandergeheftet die Näherei erreichen.
Mit jeder der Signore hält Marcel Hossli an der entsprechenden Station noch ein kleines Schwätzchen auf Italienisch, bevor er sich verabschiedet.
Wir teilen uns den Erfolg, jeder ist Teil des grossen Ganzen: Einkauf, Verkauf, Produktion, Logistik, Entwicklung – alle machen mit.
Hundertprozentige Rückverfolgbarkeit
Im nur zweieinhalb Kilometer entfernten Coldrerio werden die Einzelteile in rund 17 weiteren Schritten zusammengenäht und versandbereit verpackt. Ein ausgeklügeltes System mit Barcodes, Zeit-, Namens- und Tätigkeitserfassung ermöglicht es, dass genau eingesehen werden kann, wer wann wie lange an einem bestimmten Produkt gearbeitet hat. «Das System dient auch dazu, eine exakte Qualitätskontrolle und Rückverfolgung zu garantieren», erklärt Marcel Hossli. «Die Qualitätskontrolle macht rund einen Fünftel der gesamten Herstellungszeit eines Zimmerli-Produktes aus.» Das weiss wohl niemand besser als Clementina. Sie, die Brille ganz vorne auf der Nase, arbeitet schon seit 41 Jahren hier. Oben links auf ihrem Pult klebt ein A4 Blatt mit den 6 Parametern, die sie bei jedem Kleidungsstück überprüft. Jede Arbeiterin hat eine Kontrollnummer, mit der ein jedes Produkt versehen ist, damit vom Jahr über den verwendeten Stoff bis hin zur Person pro Arbeitsgang nachvollzogen werden kann, wer wann was gemacht hat. Marcel Hossli lächelt: «Wenn jemand anruft und sagt, er habe sein Unterhemd erst vor einem Jahr gekauft und es habe bereits Mängel, dann können wir anhand der Etikette des Produktes genau nachverfolgen, aus welchem Stoff und wann das Produkt von hergestellt wurde. So sehen wir, wo ein Fehler passiert sein könnte oder ob das Unterhemd vielleicht doch schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat.»
Standort Schweiz seit 1871
Insgesamt sind im Tessin ungefähr 60 Mitarbeitende beschäftigt. Die meisten davon sitzen in der oberen Etage der Näherei.
55 Maschinen und 33 verschiedene Modelle stehen hier. Viele der Näherinnen sind spezialisiert auf ein bis zwei Nähoperationen, die sie den ganzen Tag ausführen. Entsprechend schnell fräsen und rattern sie konzentriert durch die Stoffe. Die meisten haben hier ihren eigenen Platz, nur wenige bedienen mehrere Maschinen. Einige Arbeitsplätze sind dekoriert wie persönliche Schreibtische, mal mit einem glitzernden Stern, einem Heiligenbild oder einer getrockneten Rose, auf anderen Tischchen finden sich angefangene Packungen Pocket Coffee, gemusterte Kulturbeutel oder Notizzettel, versehen mit Weisheiten und Remindern. Viele Damen tragen eine Dauerwelle oder Mèches, Haarklammern in Gold, Leopardenoberteile und bequeme Schuhe.
Der Raum ist hell erleuchtet, zu hell, um müde zu werden. Und vom Fenster aus kann man nach Italien sehen. Marcel Hossli geht durch die Reihen und zeigt stolz Farben und Muster von Produkten, die erst in ferner Zukunft erhältlich sein werden. «Das Schöne ist», sagt er nicht ohne eine gewisse Rührung, «die Leute sind bereit, die Extrameile zu gehen.»
Damit spielt er auch auf das Rebranding vom vergangenen Jahr an, als alle Verpackungen geändert werden mussten, was einen enormen zeitlichen Mehraufwand für das ganze Team bedeutete.
Als Chef bekommt man nicht immer ungefragt Feedback, aber wenn ich mitbekomme, wie jemand die Marke verteidigt, sich in einer Diskussion echauffiert und für Zimmerli einsteht, dann ist das besser als jedes Lob von einem Vorgesetzten, das ich mir wünschen könnte.
«Wir wollten mit unserem Rebranding keine Revolution starten und unsere bestehenden Kunden nicht verunsichern», sagt Marcel Hossli. «Wir wollen uns weiterbewegen, aber nicht in grossen Sprüngen.»
Die neue Bildwelt der Marke transportiert den Standort Schweiz, der Zimmerli schon seit über 140 Jahren definiert, deutlicher. «Der Erfolg im Abverkauf und Response zeigen, dass wir damit die richtige Richtung eingeschlagen haben», meint er. «Made in Switzerland ist für sich allein schon ein Qualitätsversprechen, aber von sich sagen zu können, dass wir alles innerhalb von einem Radius von 200 Kilometern abwickeln, ist schon schön. Und der aktuelle Trend hin zu mehr Authentizität und fairen Produktionsbedingungen spielt uns dabei direkt in die Hände», sagt er zufrieden und lässt sich einen letzten Espresso – «der ist richtig gut!» –aus dem riesigen Automaten, bevor er sich auf den Heimweg macht.