Nenad Mlinarevic
Marke: Cook in Boots Markenmacher: Ravinder Bhogal
Marke: Cook in Boots
Markenmacher: Ravinder Bhogal
Bevor die ehemalige Mode- und Beautyjournalistin Ravinder Bhogal einen vom britischen Channel 4 übertragenen Kochwettbewerb gewann, nutzte sie ihre Küche vor allem nachts, wenn sie nicht schrieb, und verzückte mit ihren nächtlichen Kreationen Familie und Freunde. Als eines von 5 Kindern eines orthodoxen indischen Ehepaares in Kenya aufgewachsen war sie jedoch schon von Kindsbeinen an vertraut mit Lebensmitteln aus aller Welt. Heute lebt und kocht sie vor allem in London.
Die berühmte Sendung «F Word» mit Gordon Ramsay, die Ravinder 2008 für sich entschied, veränderte ihr Leben auf einen Schlag: sie veröffentlichte ihr preisgekröntes Rezeptbuch «Cook in Boots», kocht sich seither durch TV-Shows und Hotelküchen und träumt vom ersten eigenen Restaurant.
So unvorhergesehen wie die plötzliche mediale Aufmerksamkeit ihrem Leben eine neue Wende gab, so unkompliziert geht die heute 34-Jährige damit um. «Vielleicht war es auch einfach Schicksal», lacht Ravinder offen. Und wem bis dahin ihr Mund noch nicht aufgefallen ist, der wird sich spätestens ab jetzt in den Reigen derjenigen einreihen, die ihren Blick nicht mehr davon abwenden möchten. «Ich habe eine Freundin, die mich damals anrief und sagte, hör zu, es gibt da diese Sendung «Find Me a Fanny», dort sucht Gordon Ramsay eine weibliche Küchenchefin. Meld dich da an, ich habe so eine Vorahnung, dass du gewinnen wirst.» Der zweideutige Titel des Programms bezieht sich auf Fanny Cradock, eine britische Köchin und Restaurantkritikerin, die 1994 verstarb. Mit ihrer erfrischend frechen Art und nie darum verlegen, einen Geschmack oder ein Gericht als «unglaublich sexy» zu bezeichnen, lenkte Ravinder den Fokus der Zuschauer immer wieder auf den sinnlichen Aspekt des Essens, was ihr viel Sympathie einbrachte. Und so kam es, dass es am Ende Ravinder war, der aus Tausenden von Teilnehmerinne das begehrte Küchenzepter überreicht wurde. «Hätte mir vor fünf Jahren jemand gesagt, dass ich heute hauptsächlich in Restaurants am Herd stehe, ich hätte gesagt, «du spinnst!». Aber nun ist es genauso und ich bin sehr glücklich darüber!»
Früh übt sich
Zu kochen begann Ravinder schon im zarten Alter von fünf Jahren, damals aber nicht aus Leidenschaft, sondern einfach, um ihrem Appetit gerecht zu werden.
«Wenn du hungrig bist, dann koch dir was», lehrte die Mutter ihr unersättliches Töchterlein, einen zusätzlichen Hintergedanken hegend. «Wer einen Ehemann finden will, muss kochen können, sonst wird das nichts», zitiert Ravinder ihre Mutter mit erhobenem, rot lackiertem Zeigefinger und schräg geneigtem Kopf. Und so wie Ravinder kocht, hätte sie sich eigentlich gemäss der Gleichung ihrer Mutter einen kompletten männlichen Harem verdient: Ihre Gerichte sind stark geprägt von der indischen Küche, haben einen mediterranen Einfluss und bedienen sich oft der Gewürze des Nahen Ostens, was nicht nur geschmacklich einen feuerwerksgleichen Einfluss auf die Gerichte hat; farbenfroh, einladend und sinnlich sieht alles aus, was Ravinders dampfende Töpfe und Pfannen verlässt.
Sie rührt, würzt und probiert und schüttelt heftig die riesige Bratpfanne, die für ihre feinen Handgelenke eigentlich viel zu schwer scheint - es passiert aber nichts. Erst als sie sich über den Tisch lehnt, um an die Schokolade zu gelangen, fällt ein Stück Butter zu Boden. Sie stösst einen kleinen Schrei aus. «Ich wirke wohl wie die ungeschickteste Köchin, nicht?» ruft sie durch den Raum und schiebt hinterher: «Das liegt aber nur an meiner Ungeduld!»
Mit Liebe und Leidenschaft
Die Leidenschaft, mit der Ravinder kocht, schmeckt man in jedem einzelnen Bissen. «Es ist einfach das tollste Gefühl der Welt, wenn man jemanden bekochen darf», schwärmt sie und nascht flink eine geröstete und zuvor mit Ahornsirup beträufelte Mandel. «Ich liebe es, wie sehr man jemandem den Tag versüssen kann, wenn man ihm eine Schale frischer Pasta, ein Curry oder einen liebevoll zubereiteten Eintopf vor die Nase stellt. Man bekommt so viel Liebe und Dankbarkeit«, und sie beginnt erneut zu lachen, «ich bin richtig süchtig danach. Und ja, wenn ich es mir recht überlege, ich mach’s eigentlich nur der Komplimente wegen!»
Ich liebe es, wie sehr man jemandem den Tag versüssen kann, wenn man ihm eine Schale frischer Pasta, ein Curry oder einen liebevoll zubereiteten Eintopf vor die Nase stellt. Man bekommt so viel Liebe und Dankbarkeit.
Egal worüber Ravinder spricht, ihre positive Ausstrahlung fegt alle anders gepolten Energien im Umkreis von mindestens hundert Kilometern vom Feld, und jedes Thema wird zum Vergnügen: beim Mittagessen in einem nahe gelegenen Diner plaudert sie über die Kausalität ihrer beiden Laster hohe Absätze und Taxis, ihre letzte Zusammenarbeit mit GUY&MAX Diamonds, als sie mit einem essbaren Goldspray ihre berühmten selbstgerösteten Nüsse in goldene Diamanten verwandelte - «am liebsten würde ich seither alles mit diesen Goldspray besprühen, bevor ich es esse!» - oder die lange Liste ihrer kochenden Inspirationsfiguren. Sie spricht und erzählt mit einer Leichtigkeit, dass man sich nicht wundern würde, wenn sie sich bei der Altersangabe um zehn Jahre jünger geschummelt hätte. Und selbst dem glibberigen Sandwich, das man ihr in dem runtergekommenen Lokal vorsetzt, kann sie etwas Gutes abgewinnen und isst es bis auf den letzten Krümel auf, bedankt sich mit einer umwerfenden Herzlichkeit beim geplätteten Inhaber und tingelt auf ihren hohen Schuhen aus dem Laden. Nur den Tee lässt sie zwinkernd stehen: «Der war nun doch etwas zu speziell für mich», witzelt sie.
Die magischen Hände der Mutter
Am liebsten hört man Ravinder aber zu, wenn sie über Menschen spricht, die sie mag, dann leuchten ihre dunklen Augen unter den pechschwarzen Haaren hervor.
Da ist beispielsweise ihr Bruder, «kein so guter Koch», und ihre drei Schwestern, «allesamt brillante Köchinnen», von denen eine in Indien lebt. «Das ist wunderbar», findet Ravinder, die viel und mindestens einmal pro Jahr nach Indien reist. «Jetzt habe ich da immer ein Zuhause.» Wem aber niemand das Wasser zu reichen vermag, ist Ravinders Mutter, die selbst nie zur Schule ging und Ravinder ironischerweise all das beibrachte, womit diese nun ihren Lebensunterhalt verdient. «Meine Mutter ist eine zauberhafte Köchin. Alles, was sie mit ihren Händen berührt, schmeckt gut. Selbst wenn sie dir eine Frucht schält, schmeckt diese Frucht besser als alles andere, allein deshalb, weil sie in ihren Händen war. Sie ist einfach nur magisch.» Ravinders Vater, dessen Foto in ihrem ersten Kochbuch auf einer der ersten Seiten zu sehen ist, verstarb kürzlich. «Er hatte einen Traum für mich», erzählt Ravinder. «Als ich noch als Mode- und Beautyjournalistin arbeitete, konnte er sich darunter nie richtig etwas vorstellen. Mein Berufsleben spielte sich in einer Welt ab, die ihm völlig fremd war. Aber als ich dann mit Essen zu arbeiten begann, machte ihn das richtig stolz und er freute sich sehr», erinnert sie sich.
«Ich möchte diesen Traum auch ein Stück weit für ihn weiterleben.»
Ich möchte für ethischen Luxus stehen. Genuss und Verantwortung sollen sich nicht ausschliessen.
Für ethischen Luxus
Und dieser Traum ist nicht einfach nur ein eigenes Restaurant. «Klar, das wäre wundervoll und ich verdiene mir derweil in diversen von Männern dominierten Küchen meine Sporen ab», erzählt sie. Die mediale Aufmerksamkeit, die der schönen Köchin zuteil wird, will sie aber auch in einem größeren Kontext für ihre Marke nutzen. «Ich möchte für ethischen Luxus stehen. Genuss und Verantwortung sollen sich nicht ausschließen», ist Ravinder überzeugt.
«Ich möchte für die Leute einstehen, die für ihre Produkte keinen fairen Preis bezahlt bekommen. Und ohne dass ich in das Leben von irgendwem eingreifen oder den Mahnfinger erheben möchte, will ich zeigen, wie viel Unterschied manchmal nur schon zehn Cents machen können, denn jeder Kaufakt ist eine Entscheidung, mit der man etwas bewirken kann.»
Dass sie ihre Füße zum Weltverbessern nicht in Ökosandalen stecken muss, freut sie dabei sicherlich.
Ravinders «Essbare Mitbringsel» für The Brander