Figlmüller
Marke: Krug Markenmacher: Olivier Krug
Marke: Krug
Markenmacher: Olivier Krug
Am Anfang stand die ebenso anmaßende wie verrückte Idee, den Champagner neu zu erfinden. Als der Traum Realität geworden war, hatte der Mainzer Joseph Krug eine Art Haute-Couture-Schaumwein geschaffen, der alle Kenner in den Bann schlug. Heute, sechs Generationen und viele Auszeichnungen später, ist Krug dabei, sich neu zu positionieren und vom selbst gebauten Thron zu stoßen – mit neuen Geschichten, aber in historisch bester Qualität.
Schneeweiße Kieselsteine knirschen unter den Schritten, rechts und links säumen gepflegte Blumenbeete den Weg mit rosa Heckenrosen und violettem Lavendel.
Ein langgestreckter Fachwerkbau aus hellem, rotem Backstein ziert die von einer hohen Mauer umgebene Anlage, auf der alte Ahorn- und Kastanienbäume ein klein wenig Schatten über knapp hundert Reihen Rebstöcke werfen. Der gepflegte Ort wirkt wie eine noble Ferienresidenz, doch der Clos d’Ambonnay ist nichts anderes als ein ganz normaler Weinberg mit einer zugegebenermaßen äußerst pittoresken Lagerhalle.
Willkommen in der Welt von Krug Champagne, wo man seit 170 Jahren auf der Suche nach Exzellenz ist.
Krug, so sagen Kenner, fängt da an, wo Champagner aufhört.
Der sprudelnde Tropfen dieses kleinen und sehr feinen Hauses heimst jedes Jahr Preise und Auszeichnungen «en masse» ein. Von 100 Punkten bei Experten-Rankings schafft die Marke fast schon standardmäßig jedes Jahr 95 und mehr. Für die Flaschen mit dem goldgelben Etikett der Grande Cuvée gibt es sogar weltweit eine Fangemeinde, sogenannte «Krug-Lovers», die in Sachen Champagner eine klare Regel haben: Entweder Krug oder gar nichts.
Derselbe Traum seit sechs Generationen
Warum ist dieser Champagner so besonders? Was macht ihn aus? Niemand kann das besser erklären als Olivier Krug, der Ur-Ur-Ur-Enkel des Gründers Joseph, dessen ernstes Antlitz heute in Öl verewigt im Besuchersalon über den Anrichte hängt. «Die Spezialität des Hauses ist, einen Champagner zu offerieren, der in jedem Glas das Beste der Champagne liefert. Unsere Idee ist, alles zu geben – und das jedes Jahr.» Dass seine Worte nicht sofort verstanden werden, ist sich der 46-Jährige gewohnt. Mit Begeisterung und blitzend blauen Augen fährt er deshalb ungefragt fort, die Philosophie des Hauses genauer zu erklären und mit zahlreichen Metaphern zu untermauern.
«Nehmen wir einen Dirigenten, der Mozart liebt. Er reist um die Welt, spielt mit verschiedenen Orchestern, verschiedenen Musikern und verschiedenen Instrumenten. Er gibt bei jedem Konzert alles. Genau das ist unsere Idee.» Die Trauben, die Lagen, der Boden, das Klima und das Wetter seien die Instrumente und die Musiker, aus denen Krug das Beste herausholen müsse. «Wir verfolgen seit sechs Generationen den Traum von Joseph, ein Luxusprodukt zu kreieren, das alles bietet, auch wenn die Natur uns nicht alles geben will.« Dass dieses Zauberstück seit 1843 jedes Jahr aufs Neue gelingt, grenzt fast schon an Alchemie. Denn ein wirkliches Erfolgsrezept, an das sich Olivier Krug und sein Kellermeister Eric Lebel halten könnten, gibt es nicht. Es gibt nur grobe Ratschläge, die Ur-Ur-Ur-Ahne Joseph in einem kleinen Büchlein mit rotem Ledereinband für seine Nachkommen handschriftlich niedergeschrieben hat. «Gleich im ersten Satz steht: Man kann guten Wein nur aus guten Elementen erhalten», zitiert mit Nachdruck der Ur-Ur-Ur-Enkel und fährt dabei liebevoll mit dem Finger über die vergilbten Seiten.
Mit diesen «Elementen» werden Weine aus bestimmten Jahren oder aus bestimmten Lagen umschrieben. Ein einzelner Weinberg kann zum Beispiel mehrere ganz unterschiedliche Qualitäten liefern, aus denen Krug entsprechend auch mehrere ganz unterschiedliche Weine presst. Andere Champagnerhäuser scheuen diesen Aufwand: Eine Lage, ein Wein – gilt dort die Devise. Dazu kommt, dass Krug jedes Jahr rund ein Drittel der Ernte in die Reserve steckt.
Auch das ist eine Besonderheit der gerade einmal 50 Mitarbeiter starken Firma, die im großen Champagnergeschäft ein kleines, wenn auch hell flackerndes Licht ist.
Bei uns geht es um das Vergnügen und um Emotionen. Mir erzählen die Leute immer von ihrem ersten Schluck. Denn den vergisst man nie!
Nur die besten Kompositionen
In der sogenannten «Bibliothek» im Keller unter dem Stammhaus mitten in der Stadt Reims schlummern Weine aus den letzten 15 Jahren und warten auf ihren Einsatz. Wann ihr großer Tag kommt, das entscheidet ein fünfköpfiges Komitee in einem viermonatigen Verköstigungsmarathon. Olivier Krug: «Wir probieren in dieser Zeit tausend Weine. Das klingt nach viel, aber wir sind ja bereits bei der Lese involviert und konstruieren das zusammen. Wir treffen uns dreimal die Woche, immer um elf Uhr.» Die Uhrzeit ist bewusst gewählt: Das Frühstück ist dann vergessen und der Hunger auf das Mittagessen rüttelt alle Geschmacksnerven wach.
Die Kunst dieses Komitees ist es, aus den neuen und den Weinen der Reserve die berühmte Grande Cuvée zu formen. Olivier Krug greift einmal mehr auf seine Metapher aus der Musik zurück: «Wichtig bei dieser Assemblage ist, die richtigen, nicht unbedingt die besten Weine auszuwählen. Es geht nicht darum, bei einer Komposition die 15 begabtesten Geiger zu engagieren sondern die 15, die am besten miteinander harmonieren.» Wobei der Vergleich etwas hinkt, denn beim Aushängeschild des Hauses, der Grande Cuvée, kommen nicht 15, sondern gerne mal weit über hundert verschiedene Weine aus mehr als zwanzig Jahren zusammen. Welche guten Tropfen aus welchen Jahren sich konkret in einer Flasche vereinen, erfährt man heute dank einer Computerapplikation. Mittels der ID-Nummer, die auf jedem Etikett verzeichnet ist, lassen sich Kellermeister und Firmenerbe in die Karten sehen. Ein bisschen wenigstens.
Ein aromatisches Feuerwerk
Denn eigentlich widerstrebt es Olivier Krug zu erklären, wie ein Krug Champagner gemacht wird. «Wen interessiert das schon? Bei uns geht es um das Vergnügen und um Emotionen. Mir erzählen die Leute immer von ihrem ersten Schluck. Denn den vergisst man nie!» Der Gründernachfahre, der direkt über den Weinkellern geboren und aufgewachsen ist und im Hof, wo die Eichenfässer gereinigt werden, das Radfahren gelernt hat, sieht seine berufliche wie auch seine familienhistorische Aufgabe deshalb darin, Geschichten zu erzählen. Er will der Marke, die seit 1999 dem Luxuskonzern LVMH gehört und von einer Südamerikanerin als Vorstandsvorsitzender geführt wird, neues Leben einhauchen. Sie soll raus aus der verstaubten Nische eines «Champagners für Kenner» und bekannter wie auch für Viele zugänglicher werden.
Der ganze Mund ist erfüllt, erst mit einer Frische aus Zitrusfrüchten, dann wird es weicher, schmeckt nach Honig und frischen Mandeln, dann Ingwer, Brioche und so weiter und so fort.
Dass der vierfache Vater und bekennende Genussmensch für diesen Job genau der richtige Mann ist, daran besteht kein Zweifel: Er reist unermüdlich um die Welt und verbreitet Grande-Cuvée-Euphorie. Sein Gesicht strahlt, als er die Glas-Spezialanfertigung mit dem Namen «Le Joseph» gegen das Licht hält und drinnen golden der Champagner moussiert. «Wissen Sie, was passiert, wenn man einen Schluck nimmt? Es macht bumm! Der ganze Mund ist erfüllt, erst mit einer Frische aus Zitrusfrüchten, dann wird es weicher, schmeckt nach Honig und frischen Mandeln, dann Ingwer, Brioche und so weiter und so fort. Ein aromatisches Feuerwerk!» Olivier Krug hält kurz inne und ergänzt: «Nein, noch besser ist die Beschreibung eines Freundes von mir aus Neuseeland. Er sagte: der erste Schluck riss ihm die Socken von den Füßen. Ja, das ist es. Genau das ist Krug!»