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Les Frères Marchand – drei Brüder vereint für guten Käse

Marke: Les Frères Marchand Markenmacher: Philippe, Patrice und Eric Marchand

Marke: Les Frères Marchand

Markenmacher: Philippe, Patrice und Eric Marchand

Der Verkauf von Käse ist ein lokales Geschäft. Normalerweise. Aber im ostfranzösischen Nancy haben es drei Brüder geschafft, daraus ein internationales Business zu machen. Die Frères Marchand exportieren heute ihren Käse bis nach Japan und Australien.

«In Nancy spricht uns keiner mehr mit Vornamen an. Hier sind wir nur noch die Brüder Marchand.» Patrice, der Zweitgeborene der drei Brüder, zwinkert amüsiert und holt zum Beweis die aktuelle Ausgabe der Lokalzeitung hervor. Darin ein Artikel über die «Frères Marchand» – ohne Vornamen versteht sich. Das Trio, bestehend aus Philippe, Patrice und Eric, ist stadtbekannt, der Nachname Marchand erst recht.

Seit sechs Generationen produziert die Familie Milch und Käse. Als 1848 am Rande der mittelalterlichen Altstadt die Markthalle errichtet wurde, eröffneten die Marchands kurze Zeit später ihren ersten Verkaufsstand mit Produkten vom Bauernhof. «Unsere Ur-Ur-Großmutter holte die Sachen damals aus einem Umkreis von rund 50 km in die Stadt.

Als die Autos aufkamen und die frischen Produkte schneller transportiert werden konnten, haben sich unsere Ahnen auf Käse spezialisiert.

Den Laden im «Le Marché» gibt es noch heute und dank seiner perfekten Lage direkt am Eingang ist er auch nicht zu übersehen. Eier, Milch und Hühner liegen allerdings heute nicht mehr in den Auslagen, stattdessen reihen sich Pretiosen ähnlich rund 300 verschiedene Käse aus ganz Frankreich, wie auch aus Italien, Holland, Schweiz, England und Deutschland unter der modernen Glastheke. An der Rückseite des Verkaufsstands gibt es eine Käse-Bar mit Verköstigungs-Tresen. Gegenüber haben die Brüder ein kleines Imbiss-Lokal eröffnet. Ein weiteres Restaurant befindet sich in der Altstadt und fünf weitere Käse-Boutiquen in anderen lothringischen Städten. Zudem exportieren die Brüder ihren Produkte bis nach Dubai, Hongkong, Tokyo, Bangkok oder Sidney, wo die «Fromages des Frères Marchand» in Luxusrestaurants und Luxus-Shoppingmalls zu finden sind.

In nicht einmal 20 Jahren haben die Gebrüder in einer Branche, die vom lokalen Handel geprägt ist, ein kleines, internationales Käse-Imperium aufgebaut. Die Frères Marchand würden jedoch selbst solche großen Worte nie in den Mund nehmen. «Wir bleiben ein Kleinunternehmen. Wir haben ja nur 60 Mitarbeiter», urteilt bescheiden Philippe, der bei den Frères Marchands für den Käse-Einkauf und die Käse-Veredelung zuständig ist.

«Affineur» nennt man diesen Beruf, bei dem es darum geht, jungen Käse zu seiner idealen Reife zu führen.

Genau das ist die Spezialität der Marchands. Sie selbst haben noch nie Käse hergestellt, aber sie sind Experten darin, wie man das Rohprodukt verfeinert. Wie das geht? Philippe Marchand rückt die blaue Brille zurecht und erklärt mit sichtlicher Begeisterung: «Es ist ein bisschen wie bei der Kindererziehung. Manche Käse kommen mit drei Tagen, manche erst mit drei Wochen zu uns. Dann begleiten wir sie bis zur Reife. Wir lagern sie, wir waschen sie, wir reiben sie, wir drehen sie um.» Alle fünf Sinne seien bei der «Affinage», der Veredelung, gefordert. «Im Reifekeller kontrollieren wir regelmäßig jeden Käse mit den Augen. Wir beobachten, wie sich die Farbe verändert. Mit Klopfen können wir Unregelmäßigkeiten im Innern des Käses hören. Durch Drücken erkennen wir den Reifegrad. Natürlich riechen wir auch daran und entnehmen bei den großen Käselaiben auch Geschmacksroben.» 15 bis 25 Tonnen Käse lagern in den Reifehallen rund um den Familiensitz der Marchands mitten in Nancy. Jeder Käse ist mit einer Nummer versehen, ordentlich gestapelt auf alten Regalen und sortiert nach der notwendigen Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Was hier reift, reicht jedoch nicht, um die hohe Nachfrage zu bedienen. Der Affineur: «Einen Teil lassen wir immer bei den Produzenten zur Lagerung. Wir haben hier nicht genügend Platz und sind ständig auf der Suche nach neuen Kellern.» Dass die Marchands schon gekaufte Ware bei den Herstellern lassen können, ist auf das enge Verhältnis zurückzuführen, das Philippe zu seinen Lieferanten pflegt.

Wir haben 200 Produzenten. Ich kenne sie alle persönlich.

So persönlich, dass er genau weiß, wann eine Generation in Rente geht, ob die andere übernehmen will, wann Hochzeiten stattfinden, Kinder geboren werden, welche Schulausbildung der Nachwuchs absolviert oder ob zu viel Sonne die Felder ausgetrocknet hat. «Philippe hat sogar alle Telefonnummern im Kopf. Jahrelang wussten wir Brüder überhaupt nicht, woher der Käse kommt. Wir mussten ihn nötigen, uns die Namen in einer Liste zusammenzuschreiben. Ohne uns geht er zweimal im Jahr auf eine Tour de France zu seinen Käsern – aber nicht mit dem Fahrrad», witzelt der zweitgeborene Patrice, der für Export und die Restaurants zuständig ist. Der Erstgeborene verdreht die großen Augen und geht sofort in die Verteidigung: «Ich muss schließlich wissen, wie der Hersteller sein Vieh hält. Ob es den Tieren gut geht. Nur dann ist auch die Milch gut und am Ende der Käse.»

Drei Grundvoraussetzungen seien bei der «Affinage» wichtig: Die Rohprodukte müssen mit Bedacht gewählt werden. Der Käse muss jung und darf noch nicht einer Veredlung unterzogen sein. Und drittens sei auch die Saison entscheidend: «Comté Käse kaufe ich nur im Juni und Juli, weil dann auf den Feldern die Blumen blühen und Gräser saftig sind. Im August ist das Gras vertrocknet. Erst bei der zweiten Heuernte im September und Oktober, wenn die Kräuter nachwachsen, ist die Milch wieder fett und die Qualität hoch.» Das Savoir-Faire haben die drei Brüder von Kindesbeinen an erlernt. Vor allem von ihrer Mutter Michelle, die vor 18 Jahren verstarb, und deren Tod die drei Brüder ins Unternehmen vereinte.

Bei unserer Mutter liefen alle Fäden zusammen. Sie war die Seele des Betriebs. Als sie von uns gegangen war, verloren wir sofort ein Fünftel unserer Kunden.

Sobald es auf Michelle Marchand zu sprechen kommt, werden die drei Brüder ernst und sogar der ansonsten stille und schüchterne Eric, der sich im Unternehmen um Administration und Finanzen kümmert, beteiligt sich am Gespräch. «Jeder Affineur arbeitet verschieden. Philippe hat die Methode unserer Mutter übernommen.» Der Käse sei heute auf keinen Fall besser als der von Mama, sondern nur veredelter, betonen alle drei Brüder gleichzeitig und nicken einstimmig. Die Erinnerung an die Mutter ist mehr als lebendig. Sie selbst hat eingefasst in einem roten Rahmen einen Ehrenplatz im Bücherregal des Altstadt-Restaurants eingenommen. Vater Michel, heute 76 Jahre alt, hat sich in die Rente verabschiedet und verfolgt stolz, was seine Kinder mit der Firma anstellen. Auch wenn er bis heute nicht versteht, warum sie ständig auf Reisen gehen und was das Auslands-Engagement soll. Um 57% ist der Export allein im letzten Jahr gestiegen, die Umsatzzahlen steigen jedes Jahr im Durchschnitt um 6%. Vor allem in den letzten beiden Jahren habe die Firma Fahrt aufgenommen. Wie kommt’s? Philippe zuckt mit den Schultern und antwortet: «Wir arbeiten sehr viel, meist sieben Tage die Woche. Als wir anfingen, wollten wir einfach nur etwas aus dem Betrieb machen.» Es gebe weder eine Business-Strategie, noch ein Erfolgsrezept. Entscheidungen würden nach Intuition getroffen, sie hätten viele Ideen und seien als Brüder komplementär. Patrice kann da nur zustimmen: «Hat einer von uns ein Projekt, das er realisieren will, unterstützen ihn die beiden anderen. Immer!»

Als die drei vor ein paar Jahren auf dem Dachboden eine alte, sehr große Käse-Form und ein Büchlein mit Aufzeichnungen ihrer Großmutter fanden, in der die alte Dame «en detail» die Herstellung eines längst vergessenen Käses mit Namen «Gros Lorrain» beschreibt, waren sie sich sofort einig: Diesen Käse müssen wir wieder auf den Markt bringen. «Es hat zwei lange Jahre Arbeit gedauert, bis wir herausgefunden hatten, wie es geht. Heute ist der «Gros Lorrain» einer unserer Bestseller.»

Wir glauben stark an den Zauber, der in unerwarteten Begegnungen steckt.

«Diese Einstellung brachte uns nach Japan. Wir dachten selbst nie daran, zu exportieren. Es war reiner Zufall und eine ziemlich verrückte Geschichte», erklärt Philippe. Über Monate hinweg kam immer wieder eine Japanerin zum Verkaufsstand in die Markthalle. Die Dame kaufte wenig und stellte viele Fragen. Irgendwann lud die Japanerin Philippe ein, eine Käsekonferenz in Tokyo abzuhalten. Der Lothringer sagte zu und fand sich zwei Wochen später am Flughafen in Tokyo umringt von Journalisten und Fotografen wieder, die ihn wie einen Star empfingen. Noch im Jetlag sollte der Affineur stundenlang konferieren – ohne Käse, dafür mit einem Mikro in der Hand. Der Franzose fühlte sich bald unwohl und lud überraschend die japanischen Zuhörer kurzerhand zu einer Verköstigung ein. Die Konferenz dauerte statt drei Stunden einen halben Tag und musste dank des großen Erfolgs dreimal wiederholt werden. Heute gibt es in 19 Geschäften von Tokyo Käse der Frères Marchand zu kaufen. «Manchmal wird aus einer Begegnung etwas, manchmal nicht», grinsen die drei Brüder und werfen sich vielsagende Blicke zu. Die Bürger von Nancy haben Recht: Eigentlich braucht man die Vornamen der drei gar nicht zu kennen, sie bilden eine Einheit als die Frères Marchand.

  • Bilder: Stephanie Füssenich
  • Text: Barbara Markert
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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