Bumbu Bali
Marke: Urban Farmers Markenmacher: Roman Gaus
Marke: Urban Farmers
Markenmacher: Roman Gaus
Die Weltbevölkerung wächst, der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt, doch die Fläche mit nahrhaftem Boden schwindet. Warum also nicht städtischen Platz nutzen, um fruchtbaren Grund für eine neue Form der Foodwirtschaft zu schaffen?
«Klar ist das ein teures Unterfangen», ruft Roman Gaus über seine Schulter nach hinten, während er die Treppen zum Container hochtrabt.
Er öffnet die Tür und betritt den nach Holz und Blumenmarkt-Duftstäbchen riechenden Innenraum, der von der frühen Morgensonne in ein warmes Licht getaucht wird. «Es kostet natürlich zehnmal mehr», sagt er, während er ein Tablett holt und sich hinsetzt, «auf einem Flachdach ein Gewächshaus zu errichten und dieses professionell zu betreiben, mit all den involvierten Technologien, Ingenieuren und Architekten, die es hierfür braucht. Mehr als wenn man einfach dieselbe natürliche Grünfläche benutzen würde.» Er stellt das Tablett mit frischem Grüntee und gekühltem Wasser auf den Tisch und greift als erstes selbst nach einem der Schokoladentäfelchen, das flugs in seinem Mund verschwindet. «Aber wenn wir dieselbe Fläche einfach überbauen würden mit einem genau so effektiven Gewächshaus auf der freien Wiese, würden wir der Natur diese Fläche wegnehmen, man würde sie versiedeln.» Er faltet das Schokoladenpapierchen zu einem akkuraten Quadrat. «Wir wollen aber für unsere Produktion weder Wald roden noch grüne Wiesen einzäunen. Deshalb ist unser Konzept: städtischen Boden nutzen.» Parkplätze, Hinterhöfe und Flachdächer – alles Beton. Das ist das Modell, auf das Urban Farmers bauen. Ihr ausgeklügeltes System funktioniert ohne den klassischen, natürlichen Erdboden. Mitten in einem Industriegebiet in Basel züchten sie Salate, Sprossen, Gemüse und Fische auf einem 250 Quadratmeter grossen Flachdach. In einem stattlichen Gewächshaus gedeihen Pflanzen, und im selben Raum befinden sich drei grosse Fischtanks. Die Symbiose funktioniert perfekt: in diesem geschlossenen Wasserkreislauf bekommen die Pflanzen das Wasser und die für sie nötigen Nährstoffe aus den Fischtanks. Sie reinigen im Gegenzug das Wasser für die Fische, das danach wieder verwendet werden kann. Nachgefüllt werden muss einzig das verdunstete Wasser. Gaus selbst kam mit dem Thema «urban farming» zum ersten Mal 2008 in Berührung, kurz vor seiner Rückkehr aus Amerika. Dort machte ihn ein Freund auf einen Artikel über Milwaukee und Detroit aufmerksam und darüber, wie in diesen Städten die brachliegenden Areale für eine neue Form der Agrikultur genutzt würden. Das weckte Gaus’ Interesse und er informierte sich. Zurück in der Schweiz lernte er bald darauf seinen jetzigen Geschäftspartner Andreas Graber kennen. «Er ist der Wissenschaftler von uns beiden, ich der kommerziell orientierte», sagt er.
Im Sommer 2010 beschlossen die beiden, ihre Idee vom städtischen Farming in die Tat umzusetzen.
Wie gut wäre es denn, wenn jeder Supermarkt auf dem eigenen Dach produzieren würde?
Die beiden finanzierten sich anfangs mit einem so genannten Fellowship von WWF.
Sie erstellten Businesspläne und gewannen damit «alle Wettbewerbe, die man damit gewinnen konnte» und inszenierten das Projekt «Schrebergarten 2.0»: In einem Container produzierten sie Fisch und Gemüse. Das Ziel: 200 kg Gemüse und 60 kg Fisch pro Jahr zu erzeugen, was dem Bedarf für drei Personen für ein Jahr entspricht. Und das alles auf der Fläche in der Grösse eines Parkplatzes. «Den braucht man dann ja auch nicht mehr, denn ein Auto erübrigt sich, wenn der eigene Supermarkt direkt vor dem Haus steht», witzelt Gaus. In seinen blauen Augen spiegelt sich ein Hauch gutgelaunte Provokation, die er aber gleich selbst wieder weggrinst, bevor man sie greifen kann. «Aber im Ernst», fragt er, «wie gut wäre es denn, wenn jeder Supermarkt auf dem eigenen Dach produzieren würde?» Anfangs war der Auftritt von Urban Farmers eher in Brauntönen gehalten, als Logo diente ein Stempel. «Das funktionierte überhaupt nicht, das war zu sehr «bio». Und das ist auch nicht die Zielgruppe, die für uns relevant ist», verrät Gaus. «Was gut ist, muss für den Bio-Käufer mit Dreck und Boden zu tun haben. Lieber glauben die Konsumenten an eine Landwirtschaftsidylle statt Gemüse vom Betonboden zu essen. Es lässt sich halt besser inszenieren: süsse Tiere, fröhliche Bauern, schöne Höfe», schmunzelt Gaus. « «Aber die Realität sieht natürlich auch da ganz anders aus », sagt er und schaut auf die orange Uhr, die das einzige ist, was von seinem ansonsten dezenten Outfit abweicht: «Hier die Leute zum Umdenken zu bewegen, das ist eine Herausforderung.» Und so kommt der Auftritt der Grossstadtbauern nun auch gar nicht mehr selbstgemacht daher, sondern laut und orange. «Klar steckt da von unserer Seite auch ein bisschen Provokation dahinter», meint Gaus. «Aber das darf ruhig so sein. Wir sind keine Non-Profit-Organisation oder ein Verein. Urban Farmers ist eine Firma mit zweieinhalb Millionen investiertem Kapital, mit einem kommerziellen Zweck und einem bestimmten Ziel: Wir wollen keine einzelnen Tomaten verkaufen, sondern ganze Farmen als Business-Modell.» Gaus’ Gesichtsausdruck bewegt sich zwischen getrieben, übermütig und enthusiastisch, je nach Lichteinfall. «Das Schlimmste, was man mir antun kann nach drei Jahren Firmengründung ist, wenn man mich fragt: «Wie läuft eigentlich euer Projekt?» Das klingt so nach: «Was machst du heute Abend um fünf anstelle vom Turnverein?», das geht gar nicht!»
Lieber glauben die Konsumenten an eine Landwirtschaftsidylle statt Gemüse vom Betonboden zu essen.
Dass es auch ein bisschen naiv war, so etwas anzureissen, findet Gaus im Nachhinein selbst. Vielleicht ist er aber auch nur etwas konsterniert, weil nicht alles ganz so schnell funktioniert wie die Synapsen in seinem Kopf. Als könnte er nicht verstehen, warum es nicht alle viel schneller verstehen, zählt er nochmals auf: «Es ist geniale Ware, die wir produzieren, wir haben Gastronomen und Spitzenköche, die unsere Produkte benutzen. Unser Salat ist so frisch, ganz ohne Kühlkette, der Fisch ist super, das Gemüse ist gewaltig, und wir haben Spezialitätensorten, die man sonst nur noch auf dem Frischmarkt in Como findet. Bunte Tomaten, Microgreens und essbare Blumen, es ist alles da!» Der Claim von Urban Farmers lautet: «Die Zeit ist reif. The fresh revolution.» Doch bis es wirklich soweit ist, dass die Leute zum Umdenken bereit sind, dauert es vielleicht noch eine Weile, fürchtet Gaus: «Bis die Leute es verstehen und dann tatsächlich kaufen, das ist ein langer Weg. Aber Rom wurde schliesslich auch nicht an einem Tag gebaut.»