Alois Lageder
Marke: Zooba Markenmacher: Chris Khalifa
Marke: Zooba
Markenmacher: Chris Khalifa
In einer Stadt, in der die dominanten Farben Gelb, Ocker und Braun sind, sticht das kleine Restaurant auf der Nilinsel Zamalek im Zentrum Kairos besonders hervor. Über einer hellblauen Tür steht in fetten, rund-geschwungenen Lettern der Name des Lokals. Davor ein in Wolle gehüllter Baum und kunterbunt bemalte Biergarten-Tische und –Stühle.
Wer die hellblaue Tür öffnet und ins Innere dieses bezaubernden Kosmos tritt, wird auch hier von Farben empfangen. Selbst die typisch ägyptischen Spezialitäten des kleinen Bistros leuchten in den herrlichsten Tönen. Die Aufstriche stehen in Einmachgläsern im Kühlregal, Zuckerwerk wird in buntem Papier eingeschlagen, frische Säfte wie Orange, Limone oder Mango in Glasflaschen abgefüllt und wer Essen mit nach Hause nehmen will, bekommt es in Papiertüten eingepackt. Alles keine Selbstverständlichkeit in Ägypten, wo Plastik immer noch als das Non-Plus-Ultra gilt und nur wenig über Nachhaltigkeit gesprochen wird.
Aus Liebe zum Detail
Als Chris Khalifa das Bistro betritt, ist der lange Gemeinschaftstisch in der Mitte des Restaurants fast bis auf den letzten Platz belegt. Manche frühstücken noch ihr Rührei mit Basterma, einer ägyptischen Art des Bündnerfleisches, andere sind schon zum Mittagessen übergegangen und lassen sich Linsensuppe aus Emaille-Bechern schmecken oder Rote-Beete Salat mit Orangendressing. Der groß-gewachsene, athletische Mann mit den dunklen Haaren und hellen Augen zieht sofort alle Aufmerksamkeit auf sich. Aber er scheint das kaum zu merken. Er ist viel zu beschäftigt, alle seine Mitarbeiter mit Handschlag zu begrüßen. Zooba ist Chris Khalifas Geistesprodukt, sein «Baby», wie er es liebevoll nennt. Der 31-jährige Geschäftsmann schaut zuerst in der Küche nach dem Rechten und gibt Anweisungen, wie die Waren im Kühlregal besser präsentiert werden könnten. «Ich bin schon fast zwanghaft detailverliebt», sagt Chris Khalifa mit einem entschuldigenden Lachen. Aber es ist genau diese Liebe zum Detail, die «Zooba» zu einem besonderen Erlebnis macht. Seine Leidenschaft für das Produkt und die Marke haben Zooba in kürzester Zeit zu einem der beliebtesten Treffpunkte für junge Leute in Kairo und Liebhaber des ägyptischen Essens gemacht.
Wir sind für alles offen und sehr flexibel was die Kreationen angeht, aber der große Oberbegriff ist und bleibt immer das Straßenessen.
Gourmet-Straßenküche als Bistro-Konzept
Ägyptische Straßen sind ohne seine Straßenverkäufer kaum vorstellbar. Aus ihren fahrbaren Kiosken oder auf hölzernen Karren verkaufen sie alles von belegten Broten über hausgemachte Pommes Frites, Felafel und Foul, dem wohl typischsten ägyptischen Gericht überhaupt – braune Fava-Bohnen, die mit verschiedenen Beilagen und in Fladenbrot serviert werden.
2010 hatte Chris Khalifa zum ersten Mal die Idee, ägyptisches Straßenessen in hoher Qualität, hygienisch präsentiert und modern verfeinert in einem Restaurant anzubieten. Den Trend, Gourmet-Küche auf die Straße zu bringen, gab es weltweit, erzählt Chris Khalifa. «Wir haben gar nichts neu erfunden.» Es gab in den Hauptstädten der Welt Michelin-Köche, die ihre Gourmet-Küche aus Lastern auf der Straße verkauften. Doch niemand hatte so etwas bisher in Ägypten versucht. Chris Khalifa wollte es andersherum machen: «Ich wollte eine Marke kreieren mit ägyptischer Gourmet-Straßenküche und diese in einem Bistro anbieten.»
Klassiker in neuem Gewand
Als Chris Khalifa begann, an seinem Konzept zu arbeiten, war er noch im Investment-Banking in Ägypten tätig, wo er nach einem Wirtschaftsstudium in Boston und ersten Arbeitserfahrungen im Bank-Sektor in London gelandet war. Die Idee, ein eigenes Restaurant zu eröffnen, gab es schon länger, erzählt er. Doch erst die Gourmet-Straßenküche habe seine Leidenschaft entfacht. 2011 tat er sich mit Mustafa El Refaey zusammen, der heute Partner und Küchenchef der Zooba-Kette ist. Gemeinsam erarbeiteten sie ein Menü und begannen, große Verkostungen mit Freunden zu veranstalten, um ihre Ideen auszuprobieren. Herausgekommen sind dabei so spannende Kreationen wie Süßkartoffeln mit Marshmallow oder Reispudding mit Süßkartoffel und Zimt. Simple, aber köstliche Kreationen, die sonst nirgendwo zu finden sind und hier zudem noch modern und ökologisch nachhaltig präsentiert werden. «Wir sind für alles offen und sehr flexibel was die Kreationen angeht», sagt Chris Khalifa, «aber der große Oberbegriff ist und bleibt immer das Straßenessen für uns.» Zooba ohne Foul, Felafel, Kosheri oder das typische ägyptische Fladenbrot wäre einfach nicht vorstellbar. 1500 Fladen werden im Durchschnitt pro Tag im Bistro gebacken, alle drei Stunden wird wieder Brot frisch zubereitet.
Aber auch mit den Klassikern unter dem ägyptischen Straßenessen darf experimentiert werden bei Zooba. So ist zum Beispiel Kosheri mit ‚Freek’ – zu Deutsch Grünkern – eine ganz eigene Kreation. An der Kosheri-Bar im Restaurant gibt es die typisch-ägyptische Version des Kosheris mit Reis, Nudeln, Linsen und Kichererbsen neben der gesünderen Variante mit Grünkern, die es so sonst nirgends gibt. Beide werden vor den Augen des Kunden vom Küchenchef mit Tomatensauce, Essig, Knoblauch und Röstzwiebeln garniert. Eine Kohlehydrat- und Kalorienbombe, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. «Dieses Gericht ist eines meiner absoluten Favoriten», sagt Chris Khalifa. Sein Frühstücks-Liebling: Foul-Alexandria, braune Bohnen mit Zwiebeln, Paprika und Tomaten. Natürlich wird das Gericht, wie so viele ägyptische Speisen, am besten mit Fladenbrot und den Händen gegessen.
Mir ist es wichtig, die Kultur unseres Geschäftsmodells zu wahren.
Alle sind Teil der Familie
«So wie Du die Leute behandelst, wirst auch du behandelt» ist das Motto, nachdem Chris Khalifa sein Geschäft führt. Alle Angestellten haben einen festen Vertrag, sie sind versichert und das Trinkgeld wird unter allen Angestellten gleich aufgeteilt – keine Selbstverständlichkeit in Ägypten. «Das kreiert ein Gemeinschaftsgefühl, das mir sehr wichtig ist», sagt Chris Khalifa. Darüber hinaus werden die Angestellten am Profit beteiligt. Nicht nur finanziell, sondern vor allem psychologisch würde das einen großen Unterschied machen. «Wir bieten eine komplette Erfahrung an», sagt der Unternehmer. Das beginnt bei der Fassade des Gebäudes, dem Design, wie der Gast begrüßt wird, wie sauber es ist, welche Musik gespielt wird und natürlich welches Essen gereicht wird. «Das ist für mich die Definition einer Marke, damit verbringen wir sehr viel Zeit. Wir wollen, dass sich die Leute – Angestellte wie Gäste – als Teil der Familie fühlen.»
Das Konzept scheint aufzugehen. Zu Beginn gab es nur das kleine Bistro – das Baby – auf der Nilinsel Zamalek. Innerhalb von nur zwei Jahren sind zwei weitere Filialen in anderen Stadtteilen dazu gekommen, aus 25 Angestellten Anfang 2012 sind heute 200 geworden. Weitere Filialen sind geplant, aber der detailverliebte Chef will zuerst sicher gehen, dass die neuen Filialen auch operativ einwandfrei funktionieren, bevor er expandiert. Dass sein Konzept auch im Ausland Erfolg haben würde und dort riesiges Potential liegt, ist dem Sohn eines ägyptischen Vaters und einer amerikanischen Mutter bewusst. Trotzdem will Chris Khalifa nichts überstürzen. «Mir ist es wichtig, die Kultur unseres Geschäftsmodells zu wahren.» Faule Kompromisse kämen für ihn nicht in Frage, für sein Baby, seine Leidenschaft, seinen bunten Zooba-Kosmos.