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Marke: MuseumsQuartier Wien Markenmacher: Daniela Enzi, Andreas Miedaner
Marke: MuseumsQuartier Wien
Markenmacher: Daniela Enzi, Andreas Miedaner
Es ist ganz schön viel, was die Dachmarke MQ Wien unter sich beherbergt: Modeläden, digitale Kultur, darstellende Kunst, Architektur, traditionelle Museen, ein Designforum, Tanz und Kinderkultur, um nur einige Angebote des Areals in der Wiener Innenstadt zu nennen.
Insgesamt vereint die Marke ungefähr 70 Kulturanbieter, was das MQ Wien in dieser Form zu einem weltweit einzigartigen Kultur-Brand macht. Seit April 2000, ein Jahr vor Eröffnung, hegt und pflegt Daniela Enzi diese Kulturmarke. Ihr Hauptfokus liegt dabei vor allem in der Kommunikation für den Gesamtstandort, und sie zeichnet sich verantwortlich für alles, was im Aussenraum des Museumsquartiers passiert. Zusammen mit Andreas Miedaner, Geschäftsführer der Designagentur Büro X haben sie die Marke MQ Wien aus der Taufe gehoben.
Daniela Enzi ist ein Wirbelwind.
Sie rauscht in den Raum für das Interview, in einer Hand ein klingelndes Telefon, das sie zeitgleich mit dem Händeschütteln zur Begrüssung abfertigt. «Ja, ja danke diiiir!», verabschiedet sie sich und lacht dabei. Und dann in die andere Richtung gewandt: «Ich schalte aus. Schluss, Ende, fertig!» Daniela Enzi spricht auch, wenn sie nicht spricht. Sie sagt nicht einmal «ja», sondern gibt ein permanentes «ah-aha-hm-mh-mh. Ok ok, mh-mh.» von sich, wenn sie zuhört. Dieses Geräusch wird leiser, je weiter sie sich während des Gesprächs vom Tisch entfernt und wandelt sich entsprechend in ein Crescendo, wenn sie mit einem neuen Gegenstand (wahlweise Getränk, Plakat, Agenda) wieder zum Gesprächstisch zurückkehrt. Wenn sie erzählt, sind ihre Augen so weit geöffnet, dass der komplette grün funkelnde Kreis ihrer Iris zu sehen ist.
Im Hintergrund Vogelgezwitscher, das aus Lautsprechern in den Raum, den Hauptinnenhof des Quartiers, gespielt wird.
Kultur für alle
Das MuseumsQuartier Wien fungiert als Dachmarke für die diversen Angebote. Obwohl Andreas Miedaner den Begriff «Dachmarke» in diesem Zusammenhang nicht als richtige Definition empfindet.
Dachmarke impliziert zu sehr, dass diese Institutionen unter uns sind. Es sollte eher «Sockelmarke» heissen, wir wollen anderen Marken eine Bühne sein.
Und Enzi fügt an: «Wir wollten ein Label schaffen, das wirklich als Signier fungiert, damit die Eigenständigkeit der einzelnen Institutionen gewährleistet wird.» Ohne banal zu wirken, sollte der Zugang zu Kultur einem möglichst breiten Publikum ermöglicht werden. Und das war aus zweierlei Gründen keine einfache Aufgabe. «Die extreme Bandbreite des Publikums ist die grösste Herausforderung. Wir haben an Besuchern alles da; von Kindern über high-involved Besucher bis hin zu Bustouristen, die hierher kommen, um sich das Leopold anzusehen.», erklärt Miedaner. «Das sind halt die verschiedenen Zugänge. Aber da die Aufgabe darin besteht, einen Grundzugang zu schaffen, wollen wir genau das. Kein high-end Publikum, das kann sich nicht rechnen. So ein Riesenprojekt ist natürlich auch mit wirtschaftlichen Bedingungen verknüpft.» Die zweite Hürde stellten die traditionsbewussten, «etwas angestaubten» Institutionen Wiens dar. Für sie hat «niederschwellige Kultur» wie Game Design oder moderner Tanz nichts mit den traditionsreichen Häusern Wiens gemeinsam. Enzi meint dazu: «Ziel war, hier einen gemeinsamen Nenner zu finden und einen Ort zu schaffen, wo Menschen aller Art mit Kultur und kultureller Atmosphäre in Berührung kommen und dadurch angeregt werden. Durch den Markenauftritt und die Erlebniswelt haben wir es geschafft, einen Mehrwert für alle zu schaffen.» Dadurch dass inzwischen ein sehr junges, gebildetes und kulturinteressiertes Publikum vom MQ Wien angezogen wird, fühlen sie sich in ihrer Arbeit bestätigt und auch Traditionsliebhaber beginnen, das zu akzeptieren. Miedaner dazu: «Es war hier alles wie gesagt sehr tradiert, verstaubt, ganz nach dem Motto:
Kunst ist gleich Museum ist gleich nicht Lachen ist gleich ruhig und psst!
Den Leuten diese Schwellenangst zu nehmen, ohne zu marktschreierisch und werberisch zu werden, das war laut Miedaner dabei die Herausforderung.
Eine Shopping Mall für Kultur
Nach gut zehn Jahren hat in der österreichischen Kulturszene nun der gewünschte Paradigmenwechsel stattgefunden. Enzi meint dazu: «Es ist heute für uns alle ganz normal, dass man sich als Kulturkonsument eine Erlebniswelt erwarten darf, man wünscht sich Shops, Gastronomie, verschiedene Angebote.»
«Dass wir hier im Aussenbereich Möbel haben, wo junge Leute im Sommer barfuss drauf rumturnen und knutschen - bis vor zwei Jahren gab das noch immer heftige Diskussionen in der Stadt, weil die Leute sagten, das ist doch kein Kulturpublikum!»
Die Möbel übrigens heissen Enzis, benannt nach Daniela Enzi. Das Zurverfügungstellen dieser Sitzgelegenheiten war entscheidend wichtig fürs Areal, damit es zu diesem Lebensraum, zu diesem «Wohnzimmer Wiens» werden konnte, das zum Verweilen einlädt. Enzi selbst hat mit hinsetzen und verweilen nicht viel am Hut: «Ausruhen entspricht gar nicht meinem Naturell!», ruft sie über den Tisch, als wäre er mindestens dreimal so lang wie er tatsächlich ist. Nichtsdestotrotz freut sie sich natürlich, dass mit dieser Minimarke ein Teil von ihr selbst direkt in die Marke MQ einfliesst. Ihre Aufgabe an sich sieht sie aber als vergleichbar mit derjenigen eines Dirigenten. Als Markenmacher haben und nehmen Enzi und Miedaner keinerlei Einfluss auf die Aktivitäten der einzelnen Häuser, weder was deren Kommunikation, noch was die Inhalte betrifft. «Wir müssen einfach nur schauen, wie alle gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen.» Und während Enzi erzählt und über keinen einzigen ihrer Schachtelsätze stolpert, fasst Miedaner jeweils resümierend und unter Verwendung schönster Wortkreationen ihre Ausführungen zusammen und bemerkt: «Eine Shopping Mall der Kulturdevotionalien, sozusagen.»
Nicht prägen, sondern ermöglichen
Anders als bei einem Produkt oder einer Unternehmenskultur liegt die Rolle der beiden Markenmacher Enzi und Miedaner nicht darin, die Marke MQ mit ihren eigenen Werten und Geschichten zu füllen. Vielmehr sehen sie ihre Rolle darin, Plattform zu sein und anderen Marken dadurch eine eigene, unabhängige Identität zu ermöglichen. So gibt es weder einen Leitfaden, noch ein konkretes Konzept für die Marke, sondern es ist alles ein fliessender, sich ständig entwickelnder Prozess, der die grundlegenden Motoren wie Polarisierung, Neugier und Vielfalt nie aus dem Fokus verliert.
Man kann die Entwicklungen einer Marke nicht nur am Reissbrett entwerfen, ein paar Dinge zeigen sich eben erst mit der Zeit.
Innerhalb all der Kontraste, die ein solcher Interessensausgleich in Form einer Marke mit sich bringt, ist es wichtig, die Balance zu finden, «immer auch die Bereitschaft zu haben, diesen Spagat zu wagen», wie Enzi es formuliert. «Und um eine gute Marke zu schaffen, braucht es in der Zusammenarbeit zwischen uns, aber auch in der Zusammenarbeit mit den Institutionen vor allem viel gegenseitiges Verständnis.»
Das Tolle ist doch auch, wenn hier ein Mistkübel umfällt, weiss man nicht, ob es Zufall oder eine Installation ist. Diese Vermischung von Lebensraum, Schaffensraum und Kulturraum, das ermöglicht einen andern Blick auf die Dinge.
Dass darüber bald auch Künstler lachen, darauf warten die beiden noch. Aber voller Zuversicht.