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Die Kunstzeitschrift Parkett – die Frage nach dem Huhn und dem Ei

Marke: Parkett Markenmacher: Dieter von Graffenried

Marke: Parkett

Markenmacher: Dieter von Graffenried

1984 taucht eine neue Zeitschrift auf, gegründet von einem idealistischen Grüppchen von Kunstbegeisterten: Die zweisprachig in Deutsch und Englisch erscheinende Publikation namens «Parkett» schreibt sich den transatlantischen Transfer von Gegenwartskunst auf die Fahne.

Konzipiert wird sie in Zusammenarbeit mit den besten Gegenwartskünstlern und den renommiertesten Autoren zwischen New York und Zürich. Heute ist «Parkett» eine globale Marke, das Herausgeberteam aber dasselbe wie vor 27 Jahren: Dieter von Graffenried zeichnet als Verleger, Bice Curiger als Chefredaktorin sowie Jacqueline Burckhardt als Redakteurin.

Tickets zur Unsterblichkeit sind erhältlich an der West 53rd Street in New York City. Wem hier, im Museum of Modern Art, eine Ausstellung gewidmet wird, der hat es geschafft. Im Jahr 2001 sind der Kunstzeitschrift Parkett die Pforten zum MoMA-Himmel geöffnet worden. Das renommierteste Kunstmuseum der Welt zeigte sämtliche Künstlereditionen, die bis dahin exklusiv für Parkett entstanden waren. Die Liste der Namen liest sich wie ein Who’s Who der Gegenwartskunst. Sie reicht von Louise Bourgeois über Andreas Gursky oder Bruce Nauman bis zu Gerhard Richter und Andy Warhol.

Leben von der Kunst und mit der Kunst

Zahlreiche Künstler, die heute zu den Klassikern der Gegenwart gehören, wurden in einem frühen Stadium ihrer Karriere in sogenannten Collaborations von der Zeitschrift besprochen. Sie schaffen eigens Werke dafür, Editionen, die in kleinen Auflagen verkauft werden und ein wesentliches Standbein der Verlagsfinanzierung darstellen. Denn Parkett ist ein Hybrid aus einer buchdicken Zeitschrift und einem Kunstmuseum. Rund ein Drittel der Einnahmen werden mit dem Verkauf der Kunstwerke und Multiples erwirtschaftet, sagt der 57-jährige Verleger Dieter von Graffenried, der als Basler schon früh mit Kunst in Berührung gekommen ist.

Als Kind ging ich mit meinen Eltern selbstverständlich ins Kunstmuseum, und die Art Basel habe ich erstmals 1971 besucht.

Das publizistische Konzept von Parkett ist affirmativ. „Wenn wir uns schon für jede Ausgabe solche Mühe geben, wollen wir unseren Lesern Künstler vorstellen, an die wir glauben“, sagte Chefredaktorin Bice Curiger bereits 1994 im Gespräch. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Offenbar verfügt das Herausgeberteam über eine gute Nase. Bereits 1987, drei Jahre nach der Gründung, eröffnete der Verlag mit Sitz in Zürich seine erste Niederlassung am Broadway in New York – und dies mit einer Zeitschrift, die einen deutschen Titel trägt.

Aus Branding-Sicht ist «Parkett» ein hirnverbrannter Name.

Der Verleger Dieter von Graffenried wundert sich noch heute darüber, dass der Name „Parkett“ von Anfang an so gut funktioniert hat.

Natürlich, der Bretterboden ist Symbol für einen Ort der Begegnung, man tanzt und man spielt auf dem Parkett, und die Räume von Galerien und Museen sind damit ausgelegt. „Der Name ist sperrig, aber nicht anbiedernd – ein sympathischer kleiner Umweg zum eigentlichen Thema der Kunst“, sagt er.

Die Parkett-Erfinder wollten sich von anderen Kunstzeitschriften unterscheiden und versteckten den Begriff „Kunst“ im Titel: Die Buchstaben „A“, „R“ und „T“ sind nur durch die Gestaltung des Schriftzuges hervorgehoben. In der Anfangszeit erschien die Zeitschrift vierteljährlich, ab 1995 dreimal pro Jahr mit stärkeren Buchdeckeln, und seit neustem wurde auf eine zweimalige Erscheinungsweise umgestellt. Die Bände sind dicker geworden, dichter sowieso, und sie enthalten jeweils vier Collaborations mit Künstlern statt nur deren eine, zwei oder drei wie einst. Dieter von Graffenried erklärt den Wandel mit einer bewussten Verlangsamung, die es erlaube, Qualität besser umzusetzen. Angesichts des enormen Engagements der Redaktorinnen Bice Curiger und Jacqueline Burckhardt ist es ein Wunder, dass die beiden überhaupt noch Zeit finden, sich mit Parkett zu beschäftigen: So ist Bice Curiger nicht nur langjährige Kuratorin am Kunsthaus Zürich und Herausgeberin der Museumszeitschrift der Tate Modern in London, sondern in diesem Jahr auch Direktorin der Biennale in Venedig. Damit ist sie gleich doppelt in die Fussstapfen des Übervaters Harald Szeemann getreten.

Globale Vernetzung

Jacqueline Burckhardt wiederum trifft man nach zwölf Jahren Tätigkeit in der Eidgenössischen Kunstkommission, acht davon als Präsidentin, heute als Beraterin und Kuratorin in zahlreichen Stiftungen, Gremien, Institutionen und Akademien an. Ausserdem berät sie den Pharmakonzern Novartis in Sachen Kunst.

Der promovierte Ökonom Dieter von Graffenried schliesslich ist zuständig für das Unternehmerische und Verlegerische – er „hält den Laden zusammen“, wie er sagt. Für die Editionsprojekte der Künstler ist der Basler die jederzeit ansprechbare Kontakt- und Vertrauensperson bei Parkett. Daneben berät er Verlage und betreut Projekte für Museen.

In New York, wo er teilweise lebt, war von Graffenried ausserdem sieben Jahre Co-Chairman des Swiss Institute, einem weiteren Hotspot der Gegenwartskunst. Entsprechend kursieren immer wieder Verschwörungstheorien über die Machtkonzentration im Parkett-Netz. Es wird ebenso verantwortlich gemacht für fulminante Künstlerkarrieren wie für deren klägliches Scheitern. Dieter von Graffenried kräuselt bei diesem Thema seine hohe Stirn und bezeichnet den Verdacht der Mauschelei als ermüdend. „Die Auswahl der Künstler ist ein emotionaler, intuitiver Prozess“, sagt er. Aber es gebe keine Künstler, die nicht zum Brand „Parkett“ passten.

Die Marke Parkett nimmt die unterschiedlichsten Künstlerpositionen auf.

Dass Parkett und seine Macher als Amplifikatoren von Trends wirken, ist dennoch unbestritten. Die Frage des Einflusses entspricht der Frage nach dem Huhn oder dem Ei: Das eine ist ohne das andere nicht denkbar. So hat Parkett anfangs der achtziger Jahre das wiedererwachte Interesse der Amerikaner an der europäischen Kunst aufgenommen. Die Zeitschrift nährte den Hunger nach Neuem aus dem alten Kontinent durch Beiträge über deutsche Künstler wie Kippenberger, Baselitz, Richter und Polke, aber auch über die italienische Transavantguardia. Wo immer sich die Protagonisten der Kunstszene treffen – das Parkett-Team ist schon da. So ist nach 27 Jahren aus der Zeitschrift eine globale Institution geworden. Denn selbstverständlich hat man auch das steigende Interesse der Asiaten für die Gegenwartskunst nicht verschlafen: Letztes Jahr stellte nach Präsentationen in Japan und Singapur das Seoul Arts Center die Parkett-Editionen aus. Beijing und Moskau werden folgen.

Das Artworld Magazine in Shanghai hat 15 Texte von Parkett auf Chinesisch übersetzt und daraus eine vollständige Themenausgabe gemacht. Ai Weiwei, den dissidenten und kürzlich unter weltweitem Protest verhafteten chinesischen Künstler, stellte Parkett 2008 vor – noch vor seinem grandiosen Auftritt an der documenta in Kassel 2009. Fragt sich jetzt nur, ob das Medium Print für eine Kunstzeitschrift der Gegenwart eine Zukunft habe. Anders als andere Verleger fürchtet sich Dieter von Graffenried nicht vor dem Online-Trend: „Es ist unser Glück, dass wir nicht vom Buchhandels-Vertrieb alleine abhängig sind.“

In den letzten zehn Jahren hat der Kunstbuchhandel 50 Prozent des Umsatzes verloren.

Tatsächlich kranke die Kunstpublizistik nicht nur an der Verlagerung ins Internet, sondern auch an einem Überangebot, diagnostiziert er. Jede Kunsthalle und jede Galerie gebe inzwischen eigene, oft subventionierte Kataloge und Bücher heraus. Der Abonnentenstamm von Parkett hingegen sei bei rund 5000 Subskribenten seit Jahren stabil geblieben – und dies bei einer hohen Erneuerungsquote. So verwundert es nicht, dass Parkett derzeit an einem neuen Web-2.0-Auftritt arbeitet, der die aus allen Nähten platzende Homepage im Herbst 2011 ablösen soll. Parkett wird auch nach 27 Jahren vom Fussboden aus nach den Sternen greifen. Oben in der Loge dösen andere.

  • Text: Urs Steiner
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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