Fefe Dobson
Marke: R.E.M. Markenmacher: Mike Mills
Marke: R.E.M.
Markenmacher: Mike Mills
Irgendwann in den späten 70er Jahren hatten die beiden Teenager und Freunde Mike Mills und Bill Berry genug vom Musizieren mit ihren Schulkollegen in Macon im US-Bundesstaat Georgia. «Meine Musiksammlung aus Blues und Southern Rock Platten war langsam ausgeschöpft. Bill und ich beschlossen, unsere Instrumente zu verkaufen», erzählt Mike Mills an einem kalten Wintertag im Grammercy Park Hotel in New York.
Hier an der 21. Strasse unweit des Knotenpunktes Union Square in Manhattan steigen jene Berühmtheiten ab, die in New York nicht herumchauffiert werden wollen und sich gut und gerne zu Fuss im alternativen Nachtleben der Stadt verlieren. Das rustikal-stilvolle Dekor des Hotels ist kaum beleuchtet, kein Scheinwerferlicht soll die Stars stören, die dem Blitzlichtgewitter oft genug ausgesetzt sind.
Auch die Suite des Bassisten der Gruppe R.E.M, die Mitte der Neunziger Jahre den Mainstream eroberte und heute zu den wenigen, verbliebenen Markennamen im Rockgeschäft gehören, ist dunkel gehalten. Das warme Licht altmodischer Lampen lässt den Raum wie die Kammer eines Magiers erscheinen. Mike Mills, mit langem, blond-weissem Haar und einer Brille, die an den Zauberlehrling Harry Potter einnert ergänzt das Bild, der Musiker giesst sich sorgfältig Tee.
Punk als Inspiration
«Doch dann spielte uns Ian Copeland diese neue Musik aus Grossbritannien vor», fährt der heute 52jährige Mills fort. Ian, der Dritte im Bunde der Copeland-Brüder Stewart (Schlagzeuger der Band The Police) und Miles (Gründer der Plattenfirma IRS) war 1977 eben aus England in die USA zurückgekehrt und brachte frische Musik mit: Die furiose Hymne «New Rose» der Gruppe The Damned, die den Auftakt zum Punkrock gab, oder «Right to Work» der Band Chelsea aus London. «Punk hat meine Liebe zur Musik neu belebt und diese Energie ist in R.E.M. eingeflossen», sagt Mills, «wir lebten die Punk-Ethik, auch wenn wir nicht zwingenderweise Punkrock spielten.
Wir lebten die Punk-Ethik, auch wenn wir nicht zwingenderweise Punkrock spielten.
Das ist mittlerweile über 30 Jahre her. Mills’ Mentor Copeland verstarb vor fünf Jahren, er blieb immer ein treuer Freund der Band, die heute als eine der grössten Rockgruppen der Welt seit den Beatles gilt und mit «Collapse Into Now» eben ihr 15. Studioalbum vorgelegt hat. Die Platte klingt grandios und verneigt sich vor den Marksteinen ihrer Karriere: «Überlin» erinnert an den Welthit «Losing My Religion», der Song ist neben Stücken wie «It Happened Today» oder dem herzzerreissend melancholischen «Oh My Heart» aber nur eine der Perlen, die die Band aus dem Album auskoppeln könnte.
Zeit zu gehen?
Vielleicht ist «Collapse into Now» das letzte Album von R.E.M., ihre Verträge hat die Gruppe um Mills, Sänger Michael Stipe und Gitarrist Peter Buck jedenfalls alle erfüllt. Mit schelmischem Lächeln lässt Mills sich aber nicht in die Karten blicken. «Wir sind schon sehr lange unterwegs, haben alles gesehen und sind an einem guten Ort angekommen. Wir fühlen uns wohl in unserer Haut und glauben an das, was wir tun. Das heisst aber nicht, dass wir wüssten, was die Zukunft bringt.» Das neue Album ist das letzte des grössten Plattenvertrages, den je eine Rockband unterzeichnet hat: R.E.M verschrieben sich 1996 für 80 Millionen Dollar mit fünf Langspielern dem Unterhaltungsriesen Warner Brothers, ein Deal der am Ende für beide Seiten erfolgreich endete, im heutigen, vom Internet regierten Musikgeschäft aber wohl kaum wiederholt werden wird.
Mike Mills rührt in seinem Tee und schaut aus dem Fenster auf das verschneite New York, durch das Sänger Stipe in diesen Minuten Richtung Chelsea, dem Kunstviertel der Stadt, stapft. «Es wäre typisch für mich, länger zu bleiben als man mich will», singt dieser auf der neuen Scheibe in «All the Best», einer Art Abschiedslied, in dem Stipe seine Mannen aber auch aufruft: «Let’s give it one more time, let’s show the kids how to do it fine.»
Begleiter durch Hoch und Tief
Beweisen müssen R.E.M niemandem etwas, das ist sich der freundliche Mittfünfziger im Grammercy Park Hotel bewusst. Über die Jahre sei R.E.M. zu einer Marke geworden, die Menschen durchs Leben begleite, sagt der Musiker. «Viele haben wir durch die Lehre oder das Studium am College begleitet, durch Liebschaften, Hochzeiten, Scheidungen, Verluste von Freunden. Wir waren da bei Depressionen und in glücklichen Momenten, für viele Jahre. Heute kommen die Fans mit ihren kleinen Kindern an die Konzerte. «Die schlafen zwar oft durchs ganze Set,» schmunzelt der Bassist, «R.E.M. sind den Eltern aber so wichtig, dass sie die Musik ihrem Nachwuchs mitgeben wollen.
Sie zu enttäuschen, plant der Multi-Instrumentalist nicht. «Peter Buck und ich leben zwar auf verschiedenen Seiten der USA, aber ihn zu treffen und mit ihm Musik zu machen, ist nach wie vor sehr anregend.» Die beiden Songschmiede senden ihre Demo-Aufnahmen dann an Sänger Stipe und warten gespannt darauf, was dieser daraus macht. «Oft freue ich mich über seine brillianten Beiträge,» sagt Mills.
Einen Hit kann man nicht planen. In der Musikbranche verbringen Leute ihr Leben damit, den nächsten Hit vorauszusagen – manchen gelingt es, manchen nicht.
Und sollten sich die Wege der Bandmitglieder nach über 30 Jahren doch noch eines Tages trennen, verspricht Mills, der neben seinen Bass- und Keyboardbeiträgen auch für viele Hintergrundstimmen bei R.E.M. zeichnet: «Irgendwann mache ich auch einmal eine Soloplatte.» Stipe und Buck werden zumindest als Gäste immer noch dabei sein. Die beiden wissen, was sie an ihrem soliden Bassisten haben. Stipe, den der Brander in der Lobby des Grammercy kurz vor dem Interview traf, beglückwünschte den Reporter zur Wahl des Interviewpartners: «Mike is much better with words than me,» sagte der Sänger und Texter der Band.
Bei den gezeigten Bildern von R.E.M handelt es sich ausnahmsweise nicht um Exklusivaufnahmen für The Brander. Das Copyright liegt bei Warner Music, die uns das Bildmaterial freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben.