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Marke: Azza Fahmy Jewellery Markenmacher: Azza Fahmy
Marke: Azza Fahmy Jewellery
Markenmacher: Azza Fahmy
Jeder hat seine Art, Geschichten zu erzählen. Azza Fahmy erzählt ihre mit ihrem Schmuck. Ihre Entwürfe entstehen dann, wenn sie ein Thema gepackt hat und sie ihre Seele einbringt, sagt sie. «Nur deshalb sprechen meine Stücke die Menschen so nachhaltig an.»
Alles begann mit einem Buch über Schmuck des Mittelalters in Europa. Das Buch war zwar auf Deutsch und für damalige Verhältnisse ziemlich teuer, aber als Azza Fahmy es sah, wusste sie, dass sie es haben musste. «Es war wie ein Licht am Ende des Tunnels», erzählt die ägyptische Designerin, und ihre Augen strahlen. Fast 46 Jahre ist es jetzt her, dass Azza Fahmy dieses Buch kaufte. Damals hatte sie gerade ihren Abschluss in Innenarchitektur gemacht und wollte eigentlich noch einmal die Schulbank drücken für einen Abschluss in angewandter Kunst. Doch dann kam das Buch und sie entschied sich anders. Sie tat etwas, was zu dieser Zeit in Ägypten für eine Frau unerhört war: Sie ging auf den Khan El Khalili Bazar, Ägyptens altes Schmuckviertel, um dort die Kunst des Schmuckdesigns zu lernen. «Es war eine Entdeckung für mich», verrät Azza Fahmy, «ich habe mich dort gefunden.» Sie entdeckte ihre Leidenschaft, die sie zur bekanntesten Schmuckdesignerin Ägyptens machen sollte.
Die Frau im Overall war eine kleine Sensation
Sie war eine kleine Sensation damals, die studierte Frau, die sich in einem Overall in einer Werkstatt auf dem Bazar zwischen lauter Männern die Tricks des Schmuckdesigns beibringen ließ. «Jeden Tag kamen Leute, die durch die Tür lugten, um mich anzustarren», erzählt Azza Fahmy und lacht. Ihre ersten eigenen Stücke waren damals noch flachgeschlagene Ringe aus Silber mit simplen Motiven. Heute ist Azza Fahmy bekannt für ihre ausgefeilten Ornamente und detailreichen Motive. Ein Azza Fahmy Stück erkennt man sofort. Ihre Kreationen sind mehr als Schmuck in Gold und Silber, ihre Einzigartigkeit liegt in den kulturellen Werten, die sie transportieren. Sie sind eine einzigartige Kombination aus Kultur, Tradition und Moderne und jedes Stück für sich ein kleines Kunstwerk.
Jeden Tag kamen Leute, die durch die Tür lugten, um mich anzustarren.
Ihren ersten eigenen Laden eröffnete Azza Fahmy 1981. Damals hatte sie zwei Mitarbeiter in einer kleinen Wohnung in Bulaq, einem einfachen Viertel im Zentrum Kairos. 20 Jahre lang machte sie alles selber, designte und fertigte die Stücke an. Doch die Marke wuchs und ist heute eine ägyptische Luxusmarke mit internationalem Namen. Mittlerweile gibt es in Kairo sieben Azza Fahmy Läden. Die Marke wird weltweit verkauft, sogar im Britischen Museum in London, für das Azza Fahmy 2012 eine maßgeschneiderte Kollektion angefertigt hat, inspiriert von historischen Reflexionen über die islamische Pilgerreise nach Mekka und deren Sakramente.
Jedes Stück geht durch ihre Hand
Heute kümmern sich 200 Mitarbeiter um die Marke. Alleine das Design Team, das von Azza Fahmys jüngerer Tochter Amina Ghaly geleitet wird, besteht aus 22 Mitarbeitern. «Ich vermisse es sehr, selber herzustellen», sagt Azza Fahmy. Doch auch heute noch geht jedes Stück durch ihre Hand. Kein Ring, keine Kette, kein Ohrring oder Armreif gelangt in den Verkauf, bevor Azza Fahmy das Stück nicht genau inspiziert und für den Verkauf freigegeben hat. «Für ein gutes Schmuckstück muss jedes Detail perfekt sein», sagt die Designerin.
Nicht nur Schmuck inspiriert mich, sondern auch Stoffe, Türen, Fenster, Architektur, Poesie und Literatur.
Seit 2005 ist Amina Ghaly Teil des Teams und entwirft gemeinsam mit ihrer Mutter die drei Kollektionen, die jedes Jahr auf den Markt kommen. Sie war auch gemeinsam mit ihrer Mutter verantwortlich für die letzte Laufsteg-Kollektion, die im Februar 2015 auf der London Fashion Week in Zusammenarbeit mit dem britischen Designer Matthew Williamson gezeigt wurde. Die ältere Tochter Fatma Ghaly ist Geschäftsführerin im Familienbetrieb. «Ich habe meinen Töchtern meine DNA weitergegeben», sagt Azza Fahmy stolz. «Sie haben alles von mir gelernt und ihnen liegen unser Kulturerbe und unsere Traditionen ebenso am Herzen wie mir. Das war mir wichtig.»
Inspiration für ihre Entwürfe und Kollektionen holt sich Azza Fahmy von Reisen und aus Büchern, von denen sich alleine in ihrer Bibliothek 4000 befinden. «Nicht nur Schmuck inspiriert mich, sondern auch Stoffe, Türen, Fenster, Architektur, Poesie und Literatur.»
Zu ihrem Markenzeichen wurden Schmuckstücke, in die sie ägyptische Gedichte eingravieren ließ, sowie Verse aus Liedern der berühmten ägyptischen Sängerin Um Kalthoum. Ihre erste große Kollektion in den 1980er-Jahren war eine Hommage an die Architektur ihres Landes.
Manche Kollektionen erfordern jahrelange Recherchearbeiten
Für ihre Recherchen reist sie durch die ganze Welt. Sie dokumentiert, fotografiert und recherchiert akribisch. Es kann Jahre dauern, bis die sogenannten «Kulturkollektionen» fertig sind. Für einen hochkomplexen pharaonischen Armreifen recherchierte Azza Fahmy zum Beispiel acht Jahre lang die pharaonische Kunst.
Drei Jahre dauerte es, bis das Design stimmte. Vier Monate, bis das Stück gefertigt war. Bis heute wird bei Azza Fahmy jedes Stück in Handarbeit produziert. In ihrer Werkstatt am Stadtrand von Kairo sitzen die Kunsthandwerker in einer großen Halle, jeder an einem eigenen Arbeitstisch.
Jeder ist für ein Detail zuständig, hat seine ganz eigene Spezialisation. Einer bearbeitet nur Steine, ein nächster macht einzig römische Knotenketten. Für einen Meter dieser Kette benötigt der Kunsthandwerker bis zu 30 Tage.
Man darf das alte Kunsthandwerk nicht verlieren, aber man muss die neuen Technologien verstehen und anwenden.
Die Aus- und Fortbildung ist ein Grundstein der Arbeit und des Erfolgs von Azza Fahmy und ihre zweite Leidenschaft neben dem Schmuckdesign. «Handwerk sollte etwas sein, das respektiert wird», findet sie. In ihrer Firma arbeiten Meister und Lehrlinge Hand in Hand. Eine Seltenheit in Ägypten.
Die Designerin arbeitet zudem mit der Regierung daran, die Berufsausbildung in Ägypten zu verbessern und gibt ihr Wissen in Büchern weiter. Außerdem hat sie 2013 das Azza Fahmy Design Studio gegründet, wo die Schmuckdesigner der Zukunft ausgebildet werden. Die Schule ist die erste ihrer Art in der Region und soll die Absolventen für den Wettbewerb auf dem internationalen Markt ausbilden. «Man darf das alte Kunsthandwerk nicht verlieren, aber man muss die neuen Technologien verstehen und anwenden», sagt die Designerin.
Auf dem Bazar in Kairo würden heute noch immer die gleichen Methoden angewandt wie vor 50 Jahren. «Dadurch limitiert man sich», findet die Designerin. Ihr großer Traum ist es, ihrem Land in diesem Punkt weiterzuhelfen und die Ausbildung voranzutreiben. Keine einfache Aufgabe, aber Azza Fahmy nimmt sie vollen Herzens an. Denn, wie sie mit Nachdruck sagt: «Wenn man mir meine Träume nimmt, dann sterbe ich.»