Schumann’s
Marke: Mykita Markenmacher: Philipp und Daniel Haffmans, Moritz Krueger und Harald Gottschalk
Marke: Mykita
Markenmacher: Philipp und Daniel Haffmans, Moritz Krueger und Harald Gottschalk
In der Brunnenstraße, dort wo Berlin-Mitte an den Wedding grenzt, der Kreativbezirk an das Arbeiterviertel, steht das Mykita-Haus. Es ist ein passender Ort für ein Unternehmen, bei dem traditionelle Handwerkstechniken genauso gefragt sind wie technischer Fortschritt und Schöpfergeist. Das Mykita-Haus ist ein Gründerzeitgebäude aus Backstein mit rund 1.200 Quadratmetern Fläche. Diese aber reicht längst nicht mehr aus für das immer weiter wachsende Unternehmen. Sukzessive werden angrenzende Laden- und Büroflächen angemietet und einzelne Abteilungen dahin ausgelagert, ein Showroom wird eröffnet, Tagungsräume werden eingerichtet. Manch einer spricht bereits von der Mykita-Neighbourhood. Da die Firmenphilosophie lautet: Alles selbst machen und alle beisammen halten, muss man eben ab und an auch improvisieren können.
Nur im Hof gibt es noch reichlich Platz. Hier parken wenige Autos, ein paar Vespas und jede Menge Fahrräder. All diese passiert man, will man in das Hauptgebäude gelangen, in das so genannte Mykita-Haus. Auf den vier Etagen war einst ein Hufschmied und eine Stallung für Pferde untergebracht, heute entstehen hier täglich zwischen 400 und 600 Brillen. 185 Mitarbeiter entwerfen, fertigen, putzen, verpacken, vermarkten und verkaufen an diesem Ort die Sehhilfen «Handmade in Berlin». Weltweit sind knapp 300 Personen für die Firma tätig. Die Geschichte Mykitas ist eine von Wachstumsschüben geprägte Erfolgsstory. Allein von 2011 auf 2012 verzeichnete das Unternehmen ein erneutes Umsatzwachstum von 15 Prozent. In Zahlen ausgedrückt heißt das 18 Millionen Euro Umsatz in 2012. Sieben eigene Geschäfte betreibt die Firma, darunter sind Filialen in Tokyo, Paris und Berlin, im Juni folgt eine weitere in New York. Insgesamt sind die Berliner Brillen in 63 Ländern erhältlich. Vor allem in Nordamerika, Frankreich und Deutschland kaufen modebegeisterte Hipster die Modelle, ebenso wie Kunden, die unauffällige Designs bevorzugen. Hightech und klassisch, avantgardistisch und schlicht sind die Brillen, die es vorrangig aus Acetat oder Edelstahl gibt, als Sonnen- oder Korrekturbrillen. Von Anfang an wollten die Gründer vermeiden, in einer Sparte groß zu werden. Der erste Wachstumsschub kam 2003. Damals entschlossen sich die seit Kindertagen befreundeten Oldenburger Philipp und Daniel Haffmans, Moritz Krueger und Harald Gottschling ihr neuartiges Brillenkonzept aus Edelstahl umzusetzen.
«Menschen mit einer neuen Idee gelten so lange als Spinner, bis sich die Sache durchgesetzt hat», sagte einst Marc Twain.
Das Zitat passt zu der Stimmung der Anfangszeit. In einer ehemaligen Kindertagesstätte bezogen die vier Gründer ihren ersten Firmensitz. Und so erhielt die Firma ihren Namen. Aus «meiner Kindertagesstätte» wurde «My Kita». Vorbild der neuartigen Brillenidee war die Ente, der Citroen 2CV. Die Besonderheit des Wagens ist das Stecksystem, das die Karosserie zusammenhält. Die vier jungen Freunde wollten dieses Prinzip auf das Brillendesign übertragen: alles vereinfachen und entfernen, was nicht nötig ist. Das Ergebnis war eine leichte und anpassungsfähige Brille aus Flachmetall, die ohne herkömmliche Schraubverbindungen und Lötstellen auskommt, sondern deren vordere Bügelenden zu einer Art Spirale eingerollt und in die Bügelfront eingehängt werden. Die Gründer waren selbst nicht alle Brillenträger oder begeisterte Anhänger exklusiver Brillendesigns, sie waren einfach sehr überzeugt von der Idee mit dem Stecksystem. Ähnlich empfand es auch die Fachwelt. Bereits auf der ersten Messe verkauften sie über 4.000 Brillen. Seitdem wächst die Firma. Heute sind noch drei der vier Gründer im Unternehmen tätig, nur Harald Gottschling hat sich aus dem Alltagsgeschäft zurückgezogen. Will man diese drei Männer gemeinsam ablichten, ist Flexibilität gefragt. Da ist der eine noch unterwegs und der andere schon auf dem Sprung. Zeitdruck gehört bei Mykita dazu. «Natürlich ist unsere Rolle auch zehn Jahre später noch essentiell», sagt Moritz Krueger, der heute die Position des Geschäftsführers und Creative Directors inne hat und derjenige ist, der am liebsten die Interviews übernimmt. «Aber wir sind nicht der Nabel der Firma.» Krueger ist ungefähr 1 Meter 90 groß und meist mit Kopfbedeckung und in weißen Birkenstockclogs zu sehen. Er sieht in der Struktur des Unternehmens den Schlüssel zu ihrem Erfolg. Von Anfang an war es ihnen wichtig, dass sie nicht allein verantwortlich für die strategische Ausführung der Firma sind. «Es ist uns ganz gut gelungen, die richtigen Personen an den richtigen Stellen zu positionieren, ihnen viel Verantwortung und gleichzeitig Freiraum zu übergeben», sagt Krueger. Und dass jeder weiß, welche Rolle er hat und man auf Augenhöhe miteinander kommuniziert. «Wir funktionieren als Gründerteam so gut, weil jeder seine definierte Rolle im Team hat, jeder ist ein Spezialist seines Fachs. Wir alle haben unterschiedliche Methoden entwickelt, Probleme anzugehen, und in dieser Vielfalt liegt das kreative Potenzial. Natürlich gibt es immer wieder Reibungspunkte; Situationen, bei denen wir nicht einer Meinung sind, aber erst dieser Prozess der Reibung ermöglicht es, neue Blickwinkel entstehen zu lassen, um Neues zu Schaffen.»
So ist Philipp Haffmans heute im Design tätig und Daniel Haffmans stellvertretender Geschäftsführer und Corporate Design Director.
Wir funktionieren als Gründerteam so gut, weil jeder seine definierte Rolle im Team hat, jeder ist ein Spezialist seines Fachs.
Auch andere Ereignisse spielten der Firma gut zu und sorgten für weitere Wachstumsschübe. Zum Beispiel die Tatsache, dass die Wirtschaftskrise 2008 das westliche Konsumverhalten veränderte. Das Bewusstsein für Produktionsbedingungen und faire Löhne verstärkte sich, Handwerkskunst war wieder gefragt, die Menschen begannen sich vermehrt für die Ethik von Unternehmen zu interessieren und auf Firmen mit transparenten Philosophien zu setzen. Für die Mitarbeiter von Mykita bedeutete die Krise, dass sie noch ein wenig enger zusammenrücken mussten. Und dann war da noch die Sache mit Patricia Field. Als Ausstatterin von Filmen wie «Der Teufel trägt Prada» oder «Sex and the City» gilt sie als eine der mächtigsten Stylistinnen der Welt. Wenn sie entscheidet, irgendeine unbekannte Marke soll die Hände, Füße oder Beine von beispielsweise Sarah Jessica Parker schmücken, bedeutet das Gutes für den Umsatz. Und Patricia Field entschied 2010, dass Frau Parker auf dem Filmplakat von «Sex and the City 2» eine goldene Mykita-Brille trägt, Modell Franz, entworfen von dem Modedesigner Bernhard Willhelm. Franz war daraufhin ständig ausverkauft und der Umsatz der Mykita-Sonnenbrillen verdoppelte sich knapp.
Wir brauchen keine Umsatzziele und auch keine Vision, wo wir in zehn Jahren stehen wollen. Schafft man die richtigen Voraussetzungen, kommt der wirtschaftliche Erfolg automatisch.
Die richtigen Voraussetzungen, das ist für Krueger die kreative Unabhängigkeit der Firma, ihre Selbstbestimmtheit, dass sie sich ihre in den vergangenen Jahren definierte Haltung bewahren und darauf achten, wie es der Mannschaft geht. «Ist diese glücklich», sagt er, «bleibt auch das Schiff auf Kurs.» In der Praxis heißt das: die Leute nicht nur bei Laune zu halten, sondern sie im Blick zu haben, sie herauszufordern und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich weiter zu entwickeln. Wenn Krueger spricht, macht er Pausen, er überlegt und sagt auch mal: «Dazu fällt mir jetzt nichts ein, aber ich möchte die Antwort nachreichen.» Krueger ist nicht der Typ klassischer Geschäftsmann, der mit Marketingfloskeln um sich wirft. «Mykita», sagt Krueger, «ist stark autodidaktisch geprägt, eine auf Lernen basierende Unternehmung.» Und gerade deshalb macht es ihn rasend, wenn Fehler zwei Mal passieren. «Geschieht natürlich andauernd», sagt er und lacht.
Einen Traum haben sie auch noch: andere Produkte machen, fernab von Sehhilfen und Sonnenschutz fürs Auge. «Ich weiß, wir haben das Zeug dazu.» In welche Richtung diese gehen könnten? Da grinst Krueger nur.