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Schumann’s - eine Bar, ein Kerl, eine Marke –

Marke: Schumann’s Markenmacher: Charles Schumann

Marke: Schumann’s

Markenmacher: Charles Schumann

Das Schumann’s wird seit fast 30 Jahren von seinem Namensgeber Charles Schumann geführt und geprägt - und das an jedem einzelnen Tag eines jeden Jahres seit 1982.

Und darin liegt der unangefochtene Erfolg: Charles Schumann ist immer im Schumann’s anzutreffen, sei es in der Küche, hinter der Bar oder im Gespräch mit seinen Gästen, von denen viele zur High-Society gehören. Sein markantes Gesicht wurde durch seine Nebentätigkeit als Model bekannt, seine Person und manche seiner Cocktails erreichten durch den Ruf des Schumann’s als «deutschlandweit beste Bar» weltweiten Markenstatus. Besonders bekannt ist Schumanns Colada-Cocktail «Swimmingpool», dessen Rezept man neben zahlreichen Ausführungen zur Arbeit eines guten Barkeepers in seinem beliebtesten Buch «American Bar» (Verlag Rolf Heyne) findet.

Die Einrichtung ist schlicht, das Licht gedimmt, illustre Gäste aus aller Welt sitzen an kleinen Tischen, Kellner in Schwarzweiss servieren Essen oder mixen Drinks, und vom klappernden Geschirr und dem angeregten Wortaustausch fast übertönt, klimpert im Hintergrund ein bisschen Jazzmusik. Mittendrin Charles Schumann: Ein grosser, schlanker Mann mit bergblauen Augen, das weissgraue Haar nach hinten frisiert. Hie und da klopft er jemandem auf die Schulter und ruft etwas Italienisches durch den Raum. Er wird begrüsst, es wird auf ihn gezeigt, und er reagiert, immer darauf bedacht, eine Sekunde später schon wieder ganz woanders zu sein. Auch wenn er angezogen ist wie die übrigen Kellner und sich auch das Tellerabräumen nicht nehmen lässt; man erkennt sofort, dass er es sein muss, der diesem Lokal seinen Namen – der Internationalität wegen ohne «h» – gab.

Ich habe immer eine klare Vorstellung davon, wie etwas aussehen soll. Es passt mir eigentlich nie, wie’s andere machen.

Er lebt also tagtäglich vor, wie er es gerne hätte: rücksichtsvoll, unaufdringlich, aufmerksam und immer respektvoll. Schumann bewegt sich schnell und wendig zwischen den gedeckten Tischen, ist überall und nirgends. Ein fahriger Typ, der schwer zu fassen scheint. Laut eigener Aussage war sein Problem immer dasselbe: zu lernen, mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten. Als alleinerziehender Vater weiss Schumann jedoch nur zu gut, wie viel alleine möglich ist, was es nicht leichter macht, sich das Arbeiten im Team schön zu reden.

Von der klassischen zur Restaurant-Bar

Karl Georg Schumann, den seit seinem Frankreichaufenthalt in jungen Jahren niemand mehr mit diesem Namen anspricht, war seit jeher ein Verfechter der klassischen amerikanischen Bartradition: Schnörkellose Einrichtung, klassische Drinks und eine einheitliche Klientel von Kreativen und Intellektuellen. So sollte es sein. Doch die Zeiten haben sich geändert und mit den Gästen veränderten sich auch die Ansprüche an die Servicemarke Schumann.

Es gibt sie nicht mehr, die Männer, die Abende lang in einer Bar sitzen und sich betrinken. Und die Intellektuellen – sie allein halten den Barbetrieb auch nicht am Laufen.

Schumann steht dem Konzeptwechsel von klassischer, amerikanischer Bar hin zu einem Lokal, das seit einiger Zeit nun auch Essen anbietet, nach wie vor etwas widerwillig gegenüber. Auf die Frage hin, wie das Schumann’s seiner Meinung nach idealerweise definiert werden sollte, antwortet er eigensinnig: «Das Schumann’s in drei Worten? B.A.R.» Und das, obwohl bewusst ein Schritt weg von der klassischen Bar getan werden musste, um mit der Zeit Schritt halten zu können. «Die klassische Bar ist klein und führt Drinks. Das Schumann’s ist dafür zu gross», findet Schumann selbst, «die Leute wollen auch essen.» Hinzu kommt, dass die Leute weniger trinken. Man ernährt sich gesünder, trinkt selten schon mittags. «Eine Bar soll ein Ort sein, wo sich Menschen wohl fühlen und gerne herkommen.» Wenn sich die Bedürfnisse dieser Menschen ändern, muss auch die gewünschte Erlebniswelt entsprechend angepasst werden.

Die Leute wollen’s halt gerne kuschlig haben. Aber auf alle Wünsche geh’ ich nicht ein. Ich mag es lieber schlicht.

Das Konzept zu ändern fiel Schumann nicht leicht, aber durch das erweiterte Angebot, das nun auch warme Speisen enthält, hat er einen für ihn vertretbaren Kompromiss gefunden. Seine Kundschaft dankt es ihm und der Umsatz tut es ihr wohl gleich.

Sportwagen oder Sportplatz?

Schumann nippt an seinem Espresso und sinniert über die Zeit. Während dem Sprechen schwankt er zwischen verträumten Ideen (gerne würde er die Wartung eines Sportplatzes übernehmen) und realitätsnahen Gedankenfetzen, die selten zu Ende gesprochen werden. Oft unterbricht er sich selbst und begrüsst lautstark einen Mitarbeiter oder einen neuen Gast: «Eh, toi! Qu’est-ce que tu fais ici, à cette heure-là, hein?». Dann ein Lachen und immer wieder die Frage: Wo waren wir noch gleich? - Bei den Marken, ja, stimmt.

Ab einem gewissen Alter braucht man keine namhaften Statussymbole mehr. Ich brauche kein super Auto, ich brauche keine tolle Frau – allerhöchstens ab und zu.

Das Leben beeindruckt ihn nicht mehr so schnell, und generell gilt: «Je schlichter, desto besser.» Es gibt kaum einen Tag, an dem Schumann nicht gerne in seiner Bar arbeitet. «Es gibt aber auch Tage, da käme ich gerne gar nicht mehr.» Mehr lesen würde er dann, häufiger Sport treiben (er läuft bereits mehrmals die Woche und surft gerne) und privat mehr Musik machen, nicht nur ab und an spätnachts, wenn fast alle Gäste gegangen sind, dem Sinnbild eines Barkeepers gerecht werdend, auf dem Piano der Bar spielen. Aber dafür ist die Zeit noch nicht reif, denn so lange kein würdiger Nachfolger gefunden wird, verlässt Schumann seinen Platz nicht. Und dies nicht aus falschen Besitzansprüchen.

Es ist eigentlich niemandem zuzumuten, dass er meinen Job macht.

Ein Nachfolger? Nur nach Schumann’schen Ansprüchen.

Schumann würde sich über einen Nachfolger freuen, wenn sich denn jemand finden liesse, der mit neuem Elan an die Aufgabe herantreten würde. Aber bitte nur jemand, der den Schumann’schen Ansprüchen gerecht wird. Eine professionelle Ausbildung wäre dabei die Mindestvoraussetzung, und damit meint Schumann kein Studium, denn «ein Studium nützt hier nichts, ein Studium ist Bildung, aber keine Ausbildung». Schumann weiss, wovon er spricht, denn er hat Philosophie studiert, wie sein Sohn auch, und Journalismus. Den Barbetrieb hat er sich selbst beigebracht. Nach 30 Jahren weiss er auch, wie alles geht, nichtsdestotrotz glaubt er, es gäbe noch viel mehr Fachwissen, das er gerne hätte. Eine Person schwirrt am Tisch vorbei. Schumann streckt die Hand nach ihr aus und ruft: «Che ora è? Cinco minutos? Ti vale?» Er nickt. «Gut, gut, gleich.» Er räuspert sich und lächelt. Wäre Zeit eine Marke, sie wäre wohl Schumann’s liebstes Luxusgut. Aber wo waren wir noch gleich? - Fertig, ja stimmt.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Olivia El Sayed
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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