Alex Monroe
Marke: Steinway & Sons Pianos Markenmacher: Manfred Sitz
Marke: Steinway & Sons Pianos
Markenmacher: Manfred Sitz
Seit mehr als 160 Jahren baut Steinway & Sons Pianos. Das Geheimnis hinter der erfolgreichen Marke verrät Europachef Manfred Sitz: Man geht mit der Zeit und baut dabei auf einer traditionsreichen Basis auf.
Am Morgen hört Manfred Sitz gerne Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 17 in d-Moll.
«Sie bringt mich gut in den Tag», sagt der Europachef der Piano-Manufaktur Steinway & Sons. So kann er selber zwar kein Klavier spielen, das Tasten-Instrument ist dennoch wichtiger Teil seines Lebens. Bereits 1981 stiegt er beim Hamburger Unternehmen ein; zunächst als Assistent Controller. Später wurde der gelernte Industriekaufmann Finanz- und seit 1992 ist er Europachef. Und seitdem hat er viel erlebt: «Besonders in den letzten Jahren haben der europäische und der US-Markt einen Schrumpfungsprozess erlebt.
Viele traditionsreiche Pianohersteller mussten an Investoren oder Konzerne verkaufen.Die Seiler Pianofortefabrik aus Kitzingen gehört mittlerweile einem koreanischen Unternehmen und die französische Marke Pleyel wurde gänzlich aufgegeben.»
Im ablaufenden Geschäftsjahr 2014 werden wir 30 Prozent der von uns produzierten Pianos nach China geliefert haben.
Sich Zeit nehmen gehört zum Handwerk
In Hamburg hingegen steigen die Absatzzahlen nach der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 wieder an. Und das vor allem, weil der asiatische Kundenstamm wächst. Seit 1997 verfügt Steinway & Sons über eine Tochtergesellschaft in Tokio. 2003 wurde der erste Showroom in Shanghai eröffnet. Dazu Manfred Sitz: «Im ablaufenden Geschäftsjahr 2014 werden wir 30 Prozent der von uns produzierten Pianos nach China geliefert haben.» Und auch die bislang grösste Bestellung kam aus Fernost: 54 Flügel für ein neues Konservatorium im chinesischen Hangshou. «Eine Bestellung in dieser Grössenordnung ist eine Herausforderung. Der Bau eines Steinways dauert nun einmal bis zu drei Jahre. Daher haben wir die Flügel innerhalb von vier, fünf Monaten in an unseren verschiedenen Standorten zusammengesucht.»
Wer sich für einen Steinway entscheidet, tut das in der Regel im Auswahlraum in der hanseatischen Fabrik. In diesen werden bis zu 40 Pianos bereitgestellt, die dann vom Kunden ausprobiert werden können. Und das so lange, bis er sein Instrument gefunden hat. Und die Termine sind rar gesät. Derzeit betragen die Wartezeiten zwei bis drei Monate. Der Bau eines weiteren Auswahlraumes ist somit für die zeitnahe Zukunft nicht nur ein Muss, sondern geplant.
80 Prozent des Baus ist reine Handarbeit. Maschinen kommen nur da zum Einsatz, wo sie die körperliche Arbeit der Mitarbeiter entlasten.
Ein Meisterwerk aus 12'000 Einzelteilen
Bevor ein Flügel aber in den Auswahlraum kommt, haben viele meisterhafte Hände sich seiner angenommen. Pro Jahr werden in Hamburg und der New Yorker Fabrik insgesamt 3400 Instrumente gebaut. «12’000 Einzelteile werden zusammengefügt, von denen die meisten in Handarbeit von uns selbst produziert wurden», erklärt Sitz. Alleine die Trocknung der aus Afrika, Alaska, Kanada und heimischen Wäldern stammenden Hölzer nimmt dabei fast zwei Drittel der Zeit ein. «Sie liegen bis zu zwei Jahre in den Trocknungshallen. Nur so können wir eine langsame Austrocknung sicherstellen, die spätere Risse verhindert.» Und auch nach den 24 Monaten ist nicht garantiert, dass das Holz taugt. Nur 30 Prozent des gesamten Materials werden am Ende verbaut.
«80 Prozent des Baus ist reine Handarbeit. Maschinen kommen nur da zum Einsatz, wo sie die körperliche Arbeit der Mitarbeiter entlasten», fährt Manfred Sitz fort. Ein Beispiel ist dafür der Einpaukraum. In dem schallisolierten Kämmerchen hämmert eine Walze rund eine Stunde lang auf jede Taste ein. Getestet wird so, ob die Klangfarbe auch beim zigsten-Anschlag noch mit dem ersten Mal übereinstimmt.
Der grösste Teil aber wird von den 320 Mitarbeitern in Hamburg manuell gefertigt, intoniert und perfektioniert. Nach Augenmass werden dabei Bildhauerarbeiten am Holz getätigt, dem Ohr vertrauend so lange auf die Filzhämmerchen eingestochen, bis diese den richtigen Klang erzeugen, und selbst das filigrane Logo wird mit der Hand gezeichnet.
Eine Heuschrecke als Glücksbringer
Die Geschichte von Steinway begann übrigens wie so oft in einem Hinterzimmer.
Denn bereits vor der offiziellen Gründung von Steinway & Sons hat der in Hamburg lebende Heinrich Steinweg etwa 500 Pianos heimlich gebaut. Die hanseatischen Beamten erlaubten ihm nämlich, Pianos zu reparieren, die Genehmigung zum Bau aber rückten sie nicht heraus. Daher kochte er in seiner Waschküche sein eigenes Süppchen. Mit dem verdienten Geld wanderte er dann samt Kind und Kegel in die USA aus und präsentierte in New York 1853 die erste Fertigungsstätte von Steinway & Sons.
Erst viel später dann entstand die Fabrik in Hamburg.
Und auch, dass es Steinway & Sons in seiner heutigen Form noch gibt, ist einem spendablen New Yorker zu verdanken. Durch den zunehmenden Druck aus Asien in die Ecke gedrängt, hat die Familie Steinweg die Marke bereits 1972 an den US-Medienkonzern CBS verkauft. 2013 dann übernahm der Hedge Fonds-Manager John Paulsen Steinway. Der New Yorker Milliardär legte dafür 512 Millionen Dollar auf den Tisch. Und während Steinway-Fans und die Musikbranche Bedenken hatten, war man in Hamburg froh. Denn die weiteren Mitbieter waren Private-Equity-Investoren. Ganz klar hatten diese im Zuge ihrer Offerten die Zukunftsaussichten der Manufaktur erörtert. «Man wollte uns schön machen und sieben, acht Jahre später gewinnbringend verkaufen», erinnert sich Manfred Sitz. «Das wäre sicher das Ende von Steinway & Sons gewesen, zumindest am Hamburger Traditionsstandort.»
Wir konzentrieren uns heute wieder auf das, was wir am liebsten machen: Pianos bauen.
So aber wird seit drei Jahren kontinuierlich investiert, um die Marke noch besser zu machen. Insofern das überhaupt noch möglich ist. Bereits direkt nach dem Einstieg Paulsens wurden 30 neue Mitarbeiter engagiert und die Produktionsbedingungen verbessert. Manufaktur bedeutet nun einmal Einsatz von menschlichen Kräften und die können bei einem Instrument, das im Fall eine Steinway-Flügels zwischen 252 und 480 Kilogramm wiegt, arg strapaziert werden. «Für uns war der Kauf ein Glück», gibt Manfred Sitz bereitwillig zu. «Er mischt sich nicht in den Geschäftsalltag ein, erwartet keine klar formulierte Rendite und ist bereit, weitere Investitionen zu tätigen.» Dazu hat sein Einstieg den Ausstieg aus der Börse mit sich gebracht, womit auch die von den Aktionären stets geforderten Quartalszahlen nicht mehr zu bedienen sind. Oder um es mit den Worten mit Manfred Sitz zu sagen: «Wir konzentrieren uns heute wieder auf das, was wir am liebsten machen: Pianos bauen.»
In Hamburg denkt man auch an Morgen
Damit die Marke aber in Zeiten von digitalen Musikplayern nicht verstummt, geht man zudem zeitbedingte Kompromisse ein. Anfang 2016 wird daher der erste selbstspielende Steinway im deutschen und Mitte des Jahres auch im Schweizer Markt vertrieben. «Aktuell testen wir den Spirio im US-Markt», berichtet Sitz. «Und unsere Zielgruppe ist dabei die auf jeden Fall die obere Einkommensschicht.» 25’000 Euro mehr kostet ein Flügel mit der neuen Technik, wobei das lebenslange Update der dafür notwendigen App garantiert ist. Und auch, dass jedes Instrument ganz normal auch manuell zu bespielen ist. Aktuell wird der Spirio für zwei Modelle angeboten, den B- und den O-Flügel. «Eine Technik wie diese in einen Konzertflügel zu integrieren, macht wenig Sinn», sagt Sitz und lehnt sich zurück. Für ihn endet dieser Tag wie seit vielen Jahren mit einem zufriedenen Gefühl und einem weiteren Lieblingsstück: Nocturnes von Frédéric Chopin.