The Upper House
Marke: The Omnia Markenmacher: Philippe Clarinval
Marke: The Omnia
Markenmacher: Philippe Clarinval
Subtiles Design. Leiser Luxus. Und doch hatte die Mountain Lodge in den Schweizer Bergen keinen leichten Start. Nach ein paar anfänglichen Hindernissen übergab Eigentümer Alexander Schärer, seines Zeichens in der vierten Generation im Familienunternehmen USM U.Schärer Söhne AG in Münsingen tätig, das Wohl des The Omnia aber in die Hände von Hotelier Philippe Clarinval. Dieser nährt die Hotelmarke mit etwas, das mit den Grundwerten eines Designhotels nicht in allererster Linie zusammenhängt: seinen Mitarbeitenden.
Graue Wolkenbäusche drängen sich in bedrohlicher Langsamkeit um den mächtigen, geknickten Gipfel des Matterhorns und umkreisen ihn, als wollten sie ihn für eine geheime Besprechung in ihre Mitte nehmen. Und wenn sie ihn freigäben, so scheint es, dann nur, um kurz selbst durch das Tal zu ziehen und für mystische Stimmung zu sorgen. Hier und da trifft dennoch ein silberner Sonnenstrahl das kleine Dörfchen Zermatt, dessen betörende Naturfarben-Meliertheit nur von regenjackenbunten Touristenpunkten gestört wird.
Im Innern des The Omnia, den vermeintlichen Aufstand der Natur gegen Polyamid und PVC hinter sich lassend, ist es warm und das Gleichgewicht der Natur wiederhergestellt.
Braun- und Grautöne mischen sich mit der einladenden Farbe vom Holz, es flackert ein Feuer im Cheminée und es brennen Kerzen, mal klassisch als das, was sie sind, mal ummantelt von einem feuerfesten Lampenschirm an den Tischen im hauseigenen Restaurant, das manch kulinarischen Schatz für seine Gäste bereithält. Das Design tut hier sein Übriges und ergänzt die Stimmigkeit perfekt: Objekte von Saarinen und Mies van der Rohe gesellen sich unaufgeregt zu Risom, Weeks oder Kagan. Und der New Yorker Designer Ali Tayar hat manche Tische und Lampen und die Betten eigenes für das The Omnia konzipiert. Neben der Hochwertigkeit der hier vorhandenen Stücke spielen auch die umweltschonenden Produktionsmethoden und ein verantwortungsvoller Umgang mit Energie und Rohstoffen eine grosse Rolle. Diese von der Marke USM verfolgte Philosophie steht zwar nirgends angeschrieben, aber man spürt sie, sobald man das Hotel betritt.
Formation cordiale
Nach den ersten drei Begegnungen mit Personal am Bahnhof, im Lift und am Empfang zählt man drei Dialekte. Man hat in drei offene Gesichter geschaut und dreimal Herzlichkeit erfahren. Nicht die antrainierte Photoshop-Version davon, sondern die andere; die mit den Sommersprossen und dem schiefen Zahn, die gut tut, weil sie echt ist. Die Art der Begegnung war dreimal anders, das Gefühl beim Empfänger bleibt immer dasselbe. Und für die vierte Art sorgt Philippe Clarinval, der, massiv und doch beschwingt, im ersten Moment an den gewieften Anführer einer Studentenverbindung erinnernd, die Treppen herunterkommt. Die Haare von indifferentem Blond, die Augen klar und hell – wie auch die Zähne – und ein Lachen, das in diesem bübischen Gesicht immer wieder aufs Neue entsteht. Die Tatsache, dass auf dieser Haut keine Fältchen sind, beweist wohl die Abwesenheit einer déformation professionelle in Form einer aufgesetzten Freundlichkeit, die ihre Spuren hinterliesse.
Als Kind wollte ich Tourist werden.
«Tu seras dentiste, mon fils», pflegte Clarinvals Vater zu sagen. Also begann der folgsame Sohn Zahnmedizin zu studieren. «Wer das studiert, weiss, wie man lernt», erklärt Clarinval den für ihn wichtigsten Aspekt seines ersten Studiums. Die Hotelfachschule im Anschluss «war danach ein Klacks.» Schwieriger sei es gewesen, dem Vater die neuen Berufsabsichten zu begründen. Man einigte sich schliesslich auf einen Deal: Philippe Clarinval musste seinem Vater garantieren, dass wenn er den Beruf des Hoteliers ernsthaft verfolgen wolle, ihm schriftlich versichern musste, dass er zu den besten seines Fachs gehören werde und falls nicht, mit der Zahnmedizin weitermachen würde.
Ein Hotel darf nicht einfach nur schön sein, es muss eine Seele haben. Ich bin kein Museumskurator, ich bin ein Hotelier.
Aus jeder Station etwas lernen
Voller Enthusiasmus führt er durch die Räume, auf den Gängen begegnen einem, nebst grossformatigen Bildern von den Schweizer Fotografen Balthasar Burkhard und Bruno Augsburger, immer wieder freundliche Gestalten.
Unten im Keller befindet sich ein ganz besonderer Raum, The Cavern. «Um diesen Raum zu erleben, braucht es natürlich Musik», ruft Clarinval, einen Arm in der Luft, und wählt auf seinem iPod «Simple Man» von Lynyrd Skynyrd. Dabei gerät er ins Schwärmen. Er erzählt von Asien, wo er berufeshalber einige Jahre seines Lebens verbrachte. «Das war eine enorm wichtige Zeit für mich», erinnert er sich. «Da ging die Post ab», sagt er und schmunzelt verheissungsvoll.
Beim letzten abendlichen Rundgang spielte seine Hotelband jedesmal, wenn er das «B.A.T.S», die zum Hotel gehörende Bar, betrat, sein Lieblingslied «Sweet Home Alabama». Das traute Heim war für ihn während dieser Zeit aber nie weiter weg. «Jede Station im Leben ist wichtig», findet er, «und jede aus einem anderen Grund. In Jakarta habe ich gelernt, mit Stress umzugehen.» Denn kaum trat er seine damalige Stelle als Vizedirektor des Shangri-La 2009 an, wurden die Terroranschläge im Zusammenhang mit Jemaah Islamiyah verübt. Zunächst war das JW Marriott Hotel betroffen, nur wenige Minuten später das Ritz Carlton gegenüber. «Wir mussten uns auf das Schlimmste vorbereiten, weil niemand wusste, was noch passieren würde.» Das Shangri-La blieb unversehrt, aber nur kurze Zeit später ereignete sich ein Erdbeben der Stärke 7,6 und das ganze Hotel musste evakuiert werden. «Das war hart, aber hat mich auch in einem positiven Sinne stark geprägt. Ich weiss jetzt: Man wächst in jede Rolle hinein.»
Mit dem Gefühl, angekommen zu sein, schwindet das Bedürfnis nach Bestätigung durch Adrenalinkicks.
Im Leben anderer einen Unterschied bewirken
Nach so turbulenten Stationen wird Philippe Clarinval nun oft gefragt, was denn nun diese Aufregung früherer Tage ersetze, hier, im beschaulichen Zermatt, umringt von einer Reihe Mehrtausender. Was erfüllt den Patron eines 5-Sterne Hotels, bei dessen Führung es nicht ums nackte Überleben geht, sondern vielmehr darum, ob auch jeder Gast genau die Milch zu seinem Kaffee serviert bekommt, die er sich wünscht? «Es ist sicherlich gut, das alles einmal erlebt zu haben, aber zu viel davon ist bestimmt nicht gesund. Jetzt konzentriere ich mich ganz auf die Mentorarbeit.» Den Adrenalinkick als Bestätigung für ein aufregendes Leben braucht er im Moment nicht mehr. «Es geht im Leben darum, glücklich zu sein. Für mein Ego brauche ich es nicht, sagen zu können: Phew, gestern einen Terroranschlag überlebt, heute ein Erdbeben. Es macht mich glücklich, auf einer privaten Ebene, wenn ich morgens das Haus verlasse, das Matterhorn sehe und die klare Luft einatmen darf. Es sind diese kleinen Dinge, die mich erfüllen», sagt er und deutet mit dem Kopf zum Fenster, durch das man die Aussicht auf eine Posterlandschaft erhascht.
«Meine Aspiration ist es, im Leben anderer einen Unterschied zu bewirken. Indem mein Team zufrieden ist, sind auch meine Gäste zufrieden, und das ist das Schönste an mein Job.» Um dies gewährleisten zu können, wird jeder Mitarbeitende zum Essen im OMNIA eingeladen, mit Freunden, dem Partner oder der Familie. «Es soll jeder, der hier arbeitet, wissen, wie es ist, hier Gast zu sein», sagt Clarinval, «nur so ist gewährleistet, dass wir das, was wir anbieten, auch wirklich schätzen und verstehen.»
Viele wollen von sich selber sagen können, dass sie unverzichtbar sind. Aber meinen Job habe ich dann richtig gut gemacht, wenn alles läuft, ohne dass ich immer da bin.
Wöchentlich 4-5 Bewerbungsgespräche
«Wenn ich mit einem guten Gefühl weggehen kann, weil ich meinen Mitarbeitern vertrauen kann, dann ist das etwas, was mich persönlich sehr glücklich macht», erklärt Clarinval und fügt an, «weil es mir auch zeigt, dass ich etwas richtig gemacht habe.» Jede Saison bekommen Mitarbeiter eine neue Uniform, eigens entworfen und geschneidert von John Jefferson Arnold, einem amerikanischen Designer, der derzeit in Berlin lebt. Die passenden Mitarbeitenden für sein Haus findet Clarinval, indem er sich permanent Zeit dafür nimmt, interessiertes Personal kennenzulernen. Jede Woche finden 4-5 Bewerbungsgespräche statt, auch wenn keine Stelle ausgeschrieben ist. «Ich finde das wichtig, sich Leute anzusehen, die sich für unser Haus interessieren. Und vielleicht passt es ja zu einem späteren Zeitpunkt.» Und diese Einstellung kommt nicht von ungefähr: Auf seine jetzige Position hatte sich Clarinval schon drei Jahre vor seinem Stellenantritt beworben. Doch damals passte das Timing nicht. «Bad luck», lacht er. «Aber jetzt bin ich eben doch genau da, wo ich immer sein wollte.»