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Eternit – ein Material für die Ewigkeit

Marke: Eternit Markenmacher: Anders Holte

Marke: Eternit

Markenmacher: Anders Holte

Malmö, 7 Uhr 30 morgens. In der futuristischen U-Bahn-Station Triangeln im Geschäftszentrum der schwedischen Metropole drängen sich die Pendler. Doch nicht nur auf dem Bahnsteig krabbelt es, sondern auch auf der abgerundeten Wand hinter den Geleisen: Blaue Glühwürmchen scheinen der Tunnelröhre entlang zu sausen: In den Fugen der weissen, perforierten Wand aus Eternit-Paneelen sind Bahnen mit Leuchtdioden eingelassen, die durch ein Computerprogramm zu einem dynamischen Spiel angeregt werden.

Von Shanghai nach Pasadena

Anders Holte, seit 1990 CEO von Eternit, zählt Beispiele von spektakulärer Architektur auf, die durch Zementfaserplatten seiner Firma erst möglich wurden: In Shanghai hat das amerikanische Star-Architekturbüro Morphosis den Campus eines Computerspiele-Entwicklers ebenso in Eternit-Paneele verpackt wie im kalifornischen Pasadena ein Zentrum für Astronomie und Astrophysik. Ein Fussballstadion in Chile, ein Geschäftshaus in Sydney, der Technopark in Zürich, ein Geschäftszentrum in Vilnius – die Beispiele folgen Schlag auf Schlag.

Auch im Werk der Architekten Herzog & de Meuron – den Fassadenkünstlern schlechthin – findet man verschiedene mit Eternit verkleidete Bauten, etwa das Ricola-Lagerhaus in Laufen.

Wir müssen den Architekten bieten, was sie brauchen.

Dieser durchschlagende Erfolg auf der ganzen Welt war keineswegs vorgezeichnet, als der Österreicher Ludwig Hatschek 1901 seine Zementfaserplatte patentieren liess – im Gegenteil. 1916 noch lehnte der noble Bund Schweizer Architekten (BSA) Eternitschindeln kategorisch ab, und dem Heimatschutz graute während Jahrzehnten vor grauen Dächern aus Faserzement in historischen Dorfbildern. Den Durchbruch des brandsicheren und witterungsbeständigen Materials bei pragmatisch denkenden Bauherren hielt das gleichwohl nicht auf. – Das Aus für die Zementfaserplatte wäre dann doch beinahe gekommen, nämlich als die gesundheitsschädigende Wirkung von Asbestfasern bekannt wurde, aus dem der Werkstoff ursprünglich hergestellt war: 1978 musste der damalige Eigentümer und Verwaltungsratspräsident Stephan Schmidheiny bekanntgeben, dass die Herstellung von asbesthaltigen Produkten aufgegeben werde. Hinter diesem Versprechen steckte nichts weniger als der Ehrgeiz, das Produkt von Grund auf neu zu erfinden. Dank jahrelangem Forschen gelang es schliesslich, die mikroskopisch kleinen Asbestfasern durch unbedenkliche Rohstoffe zu ersetzen: Bereits 1984 wurde die Hälfte der Produktion asbestfrei gefertigt, und seit 1994 wird die ganze Produktepalette aus harmlosen Textil- und Zellstoffphasern hergestellt, die mit Portlandzement, Kalksteinmehl und Wasser zusammengemischt werden.

Chef alter Schule

Beim Rundgang über das Werkgelände erweist sich der 61-jährige Anders Holte als Chef alter Schule: Er grüsst Arbeiter und Mitarbeiter links und rechts und zeigt auf eine ehemalige Fabrikantenvilla, die er einer Kindertagesstätte mietfrei zur Verfügung stellt. Die lokale Verankerung der Firma ist ihm wichtig. So schenkte er der nahen Leglerhütte des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) im Jahr 2003 zum hundertjährigen Bestehen von Eternit ein neues Dach. Die Schindeln dafür liess er nicht etwa per Helikopter auf die Alp fliegen, sondern trug sie gemeinsam mit einem Teil der Belegschaft und deren Familien im Rucksack hinauf. Trotz seiner Verbundenheit zum Standort Niederurnen ist der «begeisterte Rotarier» Holte ein Kosmopolit geblieben. Nach der Ausbildung zum Maschineningenieur an der ETH Zürich hat er in der norwegischen Marine gedient, Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen (HSG) studiert und seine berufliche Laufbahn in den USA gestartet.

Zu Eternit kam Holte in Berlin, bevor er 1986 als Finanzchef an den Hauptsitz im Kanton Glarus berufen wurde. Seine Frau, eine Schweizerin, mit der er seit 1971 verheiratet ist, hat ihn dabei stets begleitet (und nebenbei in Norwegen die Muttersprache ihres Gatten gelernt). Ihre gemeinsame Tochter ist Lehrerin, der Sohn studiert in Amerika – nicht gerade eine typische Biografie für einen Glarner Unternehmensführer. Aussergewöhnlich ist wohl auch Holtes Affinität zu Architektur und Design – obwohl sein Unternehmen selbstverständlich von beiden Disziplinen lebt.

Willy Guhl war ein genialer Designer, der es verstanden hat, materialgerechte Formen ästhetisch und funktional zu gestalten.

Willy Guhl hat in den fünfziger Jahren für Eternit nicht nur jenes Balkon-Blumenkistchen gestaltet, das in der Schweiz jedes Kind kennt, sondern auch den Strandstuhl aus einer Eternitschleife, der es in die Designsammlung des Museum of Modern Art in New York geschafft hat.

Der Industriedesigner und Lehrer an der Kunstgewerbeschule Zürich begründete für Eternit eine Tradition, die bis heute gepflegt wird: Pflanzgefässe, Sitzmöbel, Regale, Tische, Hocker und Bänke werden von jungen Designern entworfen und in kleinen Serien als «Objets de désir» hergestellt. Der neuste Wurf ist eine vierteilige Garten-Lounge des österreichischen Designers Rainer Mutsch: ein Sitzmöbel als organisch geformte Antithese zu den allgegenwärtigen Korbgeflechten.

Obschon der Anteil dieser handgefertigten Designobjekte nur gerade fünf bis sechs Prozent des Umsatzes generiert, sind sie als Imageträger für die Marke essenziell.

Eine Marke muss Bestand haben und klar zum Ausdruck bringen, was dahinter steckt.

Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), Ikea oder Apple erfüllen für Anders Holte diese Kriterien am ausgeprägtesten – neben Eternit natürlich. Die Leitsätze der Corporate Governance hat er auf sechs Begriffe kondensiert und auf Kärtchen drucken lassen, die er zusammen mit seiner Visitenkarte überreicht – ein Bekenntnis zu Qualität, Substanz, Transparenz, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Nachhaltigkeit.

Auf diese Werte können Sie uns jederzeit behaften.

Die Mischung aus bescheidenem Understatement und fast sektiererischen Pragmatismus macht Eternit zu einem prototypischen Schweizer Unternehmen: Die Produkte sind nicht billig, dafür aber von konkurrenzloser Qualität – und aufgeladen mit ideellen, kulturellen und historischen Werten. Der Firmensitz, vom Architekturbüro Haefeli Moser Steiger 1954-55 in eine Hülle aus Welleternit gepackt, ist nichts weniger als ein architektonisches Juwel. Architekt Werner M. Moser, ein Schüler Frank Lloyd Wrights, wendete dafür zentrale Entwurfsstrategien «des Meisters» an. Im Entree hängt ein Wandteppich von keinem Geringeren als Le Corbusier. Anders Holte ist stolz auf jeden Winkel, jedes Detail des Gebäudes, öffnet den Besuchern in seinem Büro sogar die Einbauschränke, um die Innenseite des fachmännisch restaurierten Möbels zu zeigen.

Künstlerische Experimente

Von der Terrasse des Bürogebäudes nebenan – mit sechs Geschossen für Niederurner Verhältnisse ein veritabler Wolkenkratzer – sieht man nicht nur auf Linthebene und Voralpen, sondern auch auf die Dachlandschaft der Fabrikationshallen, in denen heute Faserzementplatten in allen Farben, Formen und Formaten hergestellt werden. Die Manufaktur für Pflanzgefässe und Designobjekte hingegen steht im waadtländischen Payerne – auch dieser Bau von Paul Waltenspühl übrigens eine Ikone der Schweizer Architekturgeschichte. Blumentöpfe, Einrichtungsgegenstände, ja sogar Vogelhäuschen werden in der Westschweiz von Hand hergestellt. Die Sparte «Garten und Design» ist nicht nur Imageträgerin des Unternehmens, sondern sorgt auch für intensiven Austausch mit der gestalterischen Avantgarde, wie Daniel Hauri, Verantwortlicher für diesen Produktebereich, erklärt. Selbst Künstler interessieren sich für den Faserzement und erproben damit neue Ausdrucksformen. Jüngstes Beispiel ist eine Skulptur, die Beat Zoderer aus Eternitstreifen geschaffen hat. Mag man auch Zementfaserplatten, bei allem Respekt, nicht gerade mit Marmor vergleichen: Unvergängliche Werte werden daraus gleichwohl hergestellt. Immerhin ist der Brand Eternit ja vom lateinischen «Aeternitas» abgeleitet. Und das heisst soviel wie Ewigkeit.

  • Bilder: Gian Marco Castelberg
  • Text: Urs Steiner
  • Übersetzung: Tessa Pfenninger
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