Titoni
Marke: Playmobil Markenmacher: Horst Brandstätter
Marke: Playmobil
Markenmacher: Horst Brandstätter
Das Gespräch mit Horst Brandstätter war für unsere Autorin nicht irgendein Interview: Vor ihr sass der Mann, der ganze Jahre ihrer Kindheit geprägt hatte. Wenige Playmobilmännchen in der Hosentasche genügten und sie tauchte in Fantasiewelten ein, deren Dimensionen auch sie als Erwachsene nur noch erahnen kann.
Das Kinderglück misst 7,5 Zentimeter. Es lächelt, hat keine Nase und ist ein bisschen steif in der Hüfte. 2,4 Milliarden dieser Männchen soll es auf der Welt geben.
«Playmobil» - das klingt so amerikanisch wie Marshmallow oder Hollywood. Doch die kleinen Männchen mit der Zackenfrisur stammen aus Deutschland. Genauer gesagt aus dem fränkischen Zirndorf, keine zwanzig Minuten von Nürnberg entfernt. Der Mann, der für viele Kinder der Welt ein Held sein dürfte, heißt Horst Brandstätter. Der Playmobil-Chef sitzt an einem langen Schreibtisch im ersten Stock der Firmenzentrale, zu seinen Füßen döst ein Hund, die Augen halb geschlossen, das Geschehen im Raum immer im Blick. Brandstätter - Manager des Jahres 2009, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Ehrenbürger der Stadt Zirndorf – ist 78 Jahre alt und Unternehmer durch und durch. Hinter ihm hängen gerahmte Leitsprüche an der Wand: «Der Weg zum Reichtum liegt hauptsächlich in zwei Worten: Arbeit und Sparsamkeit.» Oder: «You never get a second chance to make a first impression.» Doch Brandstätter verständigt sich nicht in der Sprache der Manager.
Er wirkt freundlich, fast bodenständig, der fränkische Akzent trägt dazu bei. Er selbst habe als Kind ein Tretauto gehabt («Des hab ich geliebt!») und einen Stoffkasper («Den hab ich auch geliebt, aber der war dann irgendwann zerlegt.»). Schon im Schulalter war klar, dass er einmal im Familienunternehmen, bei «geobra Brandstätter», einsteigen würde. Doch seine Mutter bestand darauf, dass er zunächst einen Beruf erlernen sollte. Also wurde er Geselle, in einem Unternehmen für Formenbau.
Mobil und zum Spielen? Playmobil!
Als HOB – so nennen ihn die Mitarbeiter - dann 1954 bei geobra Brandstätter anfing, stellte das Unternehmen Kunststoffspielzeug her. Doch in der Ölkrise Anfang der 70er Jahre wurde Plastik teuer. Brandstätter beauftragte Entwickler Hans Beck, von Haus aus Möbeltischler und Tüftler, mit der Suche nach neuen Ideen: Er wünschte sich ein System, das weiter entwickelt werden konnte. Mit kleinen Teilen, die wenig Kunststoff brauchten. An anderen Spielzeugmarken wollte Beck sich nicht orientieren, erinnert sich Brandstätter: «Ich habe Autos und Lastwagen gekauft, als Anregung. Da hat der Herr Beck mich bös angeschaut und gesagt: Nehmen Sie das weg! Sie engen damit meine Entwicklungsfähigkeit für etwas Neues ein!» Als Beck die ersten Entwürfe für die Männchen vorstellte, war Horst Brandstätter skeptisch: «Der Herr Beck hat mir die Figur gezeigt, und da war kein Auto, kein Häusle.» Doch dann verstand er: Playmobil, das waren nicht nur die Figuren. «In das System ist etwas eingebaut, das andere Spielzeuge nicht haben: Die Anregung der Fantasie.» Er werde immer wieder gebeten zu zeigen, was so besonders sei an Playmobil: «Das kann ich nicht! Das Besondere findet im Kopf des Kindes statt. Es lässt sich inspirieren und entwickelt Vorstellungen, die es dann mit Playmobil nachstellt.» Der Soziologe Christian Haug drückt es anders aus. Playmobilmännchen seien «soziale Chamäleons»: Neutrale Figuren, die eine Projektionsfläche für die Fantasien der Kinder bieten, wenn diese den Figuren Rollen zuweisen. «Man kann da viel drüber reden. Mir macht es einfach Spass zu sehen, wie intensiv die Kinder mit Playmobil zusammen leben», sagt Brandstätter weniger analytisch. Mit Markenentwicklung habe er sich immer wieder beschäftigt. «Ich glaube gelernt zu haben, dass eine Marke nicht zu viel über das Produkt aussagen darf, sie muss Neugierde wecken. Bei Playmobil haben wir uns unterhalten: Wie nennen wir das jetzt? Mit Spiel müsste es etwas zu tun haben, mobil ist es.»
Playmobil entsorgt man nicht, es wird vererbt.
Es ist selten, dass Kinder mit den gleichen Dingen spielen wie ihre Eltern.Doch: «Playmobil entsorgt man nicht, es wird vererbt», sagt Brandstätter.
Die ersten Figuren kamen 1974 auf den Markt, sie führten drei Themenwelten ein, die es auch heute noch gibt: Bauarbeiter («Jetztzeit»), Indianer («andere Kulturen») und Ritter («Historie»). Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte: 507 Mio. Euro setzte geobra Brandstätter 2010, dem elften Wachstumsjahr in Folge, mit Playmobil um. Längst gibt es Playmobil nicht mehr nur in klein: 700.000 Besucher kommen jedes Jahr nach Zirndorf, um den Playmobil-Themenpark, Fun-Park genannt, zu besuchen. Auf 90.000 m² gibt es die Welt des Lächelns in lebensgroß: In der Westernstadt suchen Kinder im Sand nach Edelsteinen, andere striegeln auf dem Bauernhof die Plastikpferde. Das Piratenschiff steht zum Entern bereit. Auf den Toiletten stehen Kleidertrockner – falls mal ein Kind in einen der Teiche fällt. Am Eingang der Playmobil-Firmenzentrale steht hinter der Glastür ein überdimensionales Männchen. Es ist ein Gärtner, trägt die berühmte Zackenfrisur, und natürlich, es lächelt. Neben ihm steht ein Blumenkübel: Lechuza-Pflanzsysteme sind das zweite Standbein des Familienunternehmens, mit dem 2010 40,5 Millionen Euro umgesetzt wurden.
Playmobil soll die Fantasie reizen. Und das wollen wir auch behalten.
Brandstätter plant langfristig. Dass er seit 15 Jahren in Florida überwintert, dafür gibt es viele Gründe. Eins: «Im Winter auf Schnee und Eis golfen ist schwierig.» Zwei: «Der bedeutendste Markt für Spielzeug ist der amerikanische. Da kann ich die Konsumenten beobachten.» Drei: «Ich habe mir vorgenommen, die Firma nicht erst am Tag X zu verlassen, sondern vorher in Etappen. Damit die Leute lernen können wie man ohne mich arbeitet.» Führungskräfte kauft Brandstätter nicht von außen ein: «Ich war immer dafür, eigene Leute aufzubauen, anstatt über Kopfgeldjäger Fremdlinge zu holen.»
Das Wichtigste sei, dass die Mitarbeiter «sich in die Familie einfügen», sagt der Playmobil-Chef. «Die Leute sollten mir sympathisch sein und logisch denken können.» 60 Entwickler beschäftigt das Unternehmen heute. Doch egal ob Steinzeit, Top Agents oder Drachenland - eins bleibt immer gleich, sagt Brandstätter.
«Es geht nicht nur um Spielbeschäftigung. Playmobil soll die Fantasie reizen. Und das wollen wir auch beibehalten.»